Geldgespräch – Lasse Kammer von ReaCapital

Crowdinvesting mit erstrangiger Grundbuchsicherung

Mit der estnischen Plattform Estateguru wurde bereits vor einiger Zeit ein Fintech vorgestellt, welches Trust Deed Anlagen, also Beteiligungen an durch Immobilien besicherte Firmenkredite, anbietet. Auch wenn in Estland mit Euro bezahlt wird mag den einen oder anderen Interessenten die räumliche Distanz und fremde Jurisdiktion abschrecken. Vor knapp zwei Jahren hat sich allerdings auch ein hanseatischer Anbieter aufgemacht, dieses Anlagemodell so weit rechtlich abbildbar in heimischen Gefilden zu etablieren.

Gegründet im Herbst 2015 konnte ReaCapital ein Jahr später den operative Betrieb aufnehmen. Mit einem Team aus sechs Fachleuten konnten Stand Juli 2017 insgesamt drei handverlesene Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von über zwei Millionen Euro erfolgreich gestemmt werden. Knapp 600 Privatanleger haben sich bislang hieran beteiligt. Ihre Anlagen sind dabei durch eine erstrangige, von einem unabhängigen Treuhänder verwaltete Grundschuld besichert – das Alleinstellungsmerkmal von ReaCapital am deutschen Markt. Kürzlich hatte ich die Gelegenheit mich mit Lasse Kammer, dem Geschäftsführer von ReaCapital, zu den wichtigsten Facetten seines Geschäfts sowie des Marktes auszutauschen.

Logo von ReaCapital
Logo von ReaCapital, Bildquelle: Seite des Unternehmens

Unser Interview

Luis Pazos: Herr Kammer, bitte stellen Sie meinen Lesern das Konzept und Geschäftsmodell von ReaCapital kurz vor.

Lasse Kammer: Sehr gerne. Wir von ReaCapital glauben, dass die private Geldanlage vor dem Hintergrund veränderter Märkte und anhaltendem Niedrigzinsniveau völlig neu gedacht werden muss. Immobilien bieten grundsätzlich die hierfür notwendige Sicherheit – jedoch sind die bisherigen Möglichkeiten für private Anleger in Immobilien zu investieren, zum Beispiel über geschlossene Fonds, schwer zugänglich, intransparent und mit hohen Renditerisiken behaftet. Über Crowdinvesting bei ReaCapital machen wir die private Geldanlage in Immobilien einfach, transparent, rentabel und sicherer. Unseren Investoren bieten wir zusätzlichen Schutz in Form einer erstrangigen Grundschuld auf eine Bestandsimmobilie – in dieser Form einzigartig in Deutschland. Der Ablauf sieht dabei wir folgt aus: Nach einer genauen Prüfliste identifizieren wir für private Investoren geeignete Immobilienprojekte aus dem eigenen Bestand oder dem anderer Projektentwickler und Immobiliengesellschaften. Diese werden dann auf der ReaCapital-Plattform vorgestellt. Üblicherweise beträgt die Laufzeit einer Investition zwischen 18 und 36 Monaten. Von den Anlegern erhebt ReaCapital keinerlei Entgelte wie Gebühren oder Provisionen und die Investitionen werden taggenau und in voller Höhe verzinst.

Pazos: Wodurch unterscheidet sich ReaCapital im Vergleich zu ähnlich positionierten Plattformen?

Kammer: Auf ReaCapital werden alle Crowd-Investitionen über eine erstrangige Grundschuld auf eine Bestandsimmobilie der Reafina-Gruppe abgesichert. Das ist in dieser Form hierzulande einzigartig. Sollte ein Projekt einmal nicht wie geplant verlaufen, das heißt der Projektentwickler leistet die fälligen Zinsen oder Tilgungen nicht, so verkauft der eingesetzte Treuhänder die Bestandsimmobilie und zahlt die Investoren aus den Erlösen, gegebenenfalls anteilig, zurück. Hier ist anzumerken, dass besagte Grundschuld keine volle Besicherung der investierten Gelder sicherstellt, da dies vom Gesetzgeber bei dieser Anlage nicht erlaubt ist [Anmerkung: Ergänzende Hinweise hierzu finden sich nach dem Interview]. Der Anspruch auf die Verwertung der Grundschuld kann übrigens auch durchgesetzt werden, wenn ein Projektentwickler einmal insolvent gehen sollte. Dies ist der größte Unterschied zu anderen Grundschuld-Modellen am Crowdinvesting-Markt, bei denen Investoren im Fall der Fälle gerade kein Durchgriffsrecht haben. Außerdem greifen wir von ReaCapital als Konzernunternehmen der Reafina-Gruppe auf deren gebündelte Immobilien-Expertise zurück. Dadurch profitieren wir bei der Projektprüfung von den Erfahrungen aus zahlreichen erfolgreich umgesetzten Immobilienprojekten der gesamten Unternehmensgruppe. Vor Veröffentlichung werden die angebotenen Projekte durch unser Asset Management und das Ingenieurbüro umfangreich geprüft. ReaCapital unterstützt auch soziale Infrastrukturprojekte und verfolgt so eine nachhaltige Anlagepolitik. Privaten Investoren, die Vermögensaufbau oder Vermögenssicherung als Ziel haben, bieten wir renditestarke und transparente Investitionen in Immobilien, mit einem erhöhten Anlegerschutz gegenüber herkömmlichen Crowdinvesting-Modellen.

Pazos: Wer gehört im Bereich potenzieller Schuldner zu Ihrer Zielgruppe? Wofür wird das Fremdkapital üblicherweise nachgefragt und verwendet?

Kammer: Darlehensnehmerinnen, also Schuldnerinnen, sind üblicherweise Projektentwickler oder Immobiliengesellschaften, die ihre Finanzierungsstruktur für Immobilienprojekte durch Mezzanine-Kapital ergänzen möchten. Da Banken aufgrund strenger Vorgaben heute nur noch circa 80 Prozent der Gesamtkosten durch Fremdkapital abdecken, muss noch etwa 20 Prozent Eigenkapital eingebracht werden. Aus Sicht der Banken wird Mezzanine-Kapital, also sogenanntes Mischkapital, als Eigenkapital bewertet. So kann der Eigenkapitalanteil der Projektentwickler über die Crowddarlehen verringert und die Eigenkapitalrentabilität verbessert werden. Mit dem Darlehen werden dann beispielsweise Neubauten realisiert. Es gibt aber auch die Möglichkeit eine Revitalisierung oder Sanierung über die Crowd zu finanzieren.

Pazos: Und wen sprechen Sie im Bereich der Gläubiger an? Ab welchem Betrag können Anleger über ReaCapital investieren und um was für eine Form der Anlage handelt es sich genau?

Kammer: Ein möglicher Gläubiger, also Investor, ist jeder, der über 18 Jahre alt ist. Unser Angebot richtet sich vor allem an Menschen mit einem deutschen Wohnsitz. Wir haben natürlich einen sogenannten durchschnittlichen Investor identifiziert, wollen uns aber nicht auf diesen versteifen. Eine Geldanlage über ReaCapital wollen wir wirklich jeder Person ermöglichen, daher richten wir uns an ganz verschiedene Zielgruppen. Bei den Beteiligungen handelt es sich um Nachrangdarlehen, eine Investition ist bereits ab 250,00 Euro möglich. Da es sich bei Nachrangdarlehen – trotz der Besicherung – um eine Risikokapitalanlage handelt, sollte sie zum Vermögensaufbau und nicht zur Altersvorsorge genutzt werden. Dafür bieten unsere Beteiligungsangeboten eine Verzinsung ab 5 Prozent pro Jahr.

Pazos: Sie stellen den Schuldnern Nachrangdarlehen beziehungsweise Mezzanine-Kapital zur Verfügung und werben gleichzeitig mit der Absicherung der Gläubiger durch Stellung einer erstrangigen Grundschuld. Das heißt diese stellt grundsätzlich nicht der entsprechende Schuldner, oder?

Kammer: Genau, die erstrangige Grundschuld wird durch die Reafina-Gruppe zur Verfügung gestellt. Bei der Bestandsimmobilie handelt es sich um eine voll vermietete Büroimmobilie in Hamburg-Barmbek. Bei ReaCapital haben die Investoren wie erwähnt auch im Insolvenzfall eines Projektentwicklers Zugriff auf die erstrangige Grundschuld. Dies ist der entscheidende Unterschied gegenüber sogenannten „Nachrang-Sicherheiten“, die auf anderen Plattformen geboten werden. Da die Grundschuld bei den „Nachrang-Sicherheiten“ Teil des Vermögens des Projektentwicklers ist, erstreckt sich der Rangrücktritt – daher der Begriff Nachrangdarlehen – auch auf diese und im Sicherungsfall haben die Investoren keinen Zugriff darauf.

Pazos: Ab wann gilt eine Zahlung als ausgefallen und wie erfolgt die Verwertung der Sicherheit? Wie lange dauert in etwa der Prozess, bis die Anleger ihr Geld zurückerhalten?

Kammer: Sollte ein Projektentwickler die Darlehen plus Zinsen einmal nicht fristgerecht zurückzahlen können, gilt die Zahlung als ausgefallen, wobei eine Verlängerungsfrist von acht Wochen eingeräumt wird. Das bedeutet, dass bereits bei einem Teilausfall, beispielsweise der fälligen Zinsen, ein Sicherungsanspruch besteht. Der eingesetzte Treuhänder verwertet dann die erstrangige Grundschuld nach Maßgabe der Verträge und zahlt die Erlöse unter Berücksichtigung ihrer Verzinsungsansprüche gegeben falls pro rata an die betroffenen Investoren aus. Die genaue Dauer, die die Verwertung der Grundschuld in Anspruch nimmt, können wir leider noch nicht feststellen. Es kann durchaus sein, dass der Verkaufsprozess einige Wochen andauert. Als hanseatische Immobiliengesellschaft sind wir aber bemüht mit unserer Expertise den Prozess zu unterstützen und zu beschleunigen.

Pazos: Ist es in der Vergangenheit schon einmal zum Ausfall eines Schuldners und zur Verwertung der Sicherheit gekommen?

Kammer: Nein, bisher ist es weder auf unserer Plattform noch auf dem deutschen Crowdinvesting-Markt für Immobilien zu einem Projektausfall gekommen.

Pazos: In welcher Spanne bewegen sich üblicherweise die Laufzeiten der Darlehen und die zu erwartenden Renditen?

Kammer: In der Regel ist das Kapital zwischen 18 und 36 Monate gebunden. Dafür erhalten die Anleger je nach Projektart und Risikoprofil eine Rendite zwischen 5 und 7 Prozent pro Jahr. Die Verzinsungen findet taggenau statt und beginnt mit dem Eingang der Zahlung auf dem Treuhandkonto des Zahlungsdienstleisters.

Pazos: Wie viele Finanzierungsanfragen erhalten Sie im Monat und wie viele davon schaffen es auf die Plattform?

Kammer: Im Schnitt erhalten wir circa 35 Finanzierungsanfragen für Immobilienprojekte im Monat. Eine Vielzahl der Projekte kommt aufgrund der Rahmenbedingungen wie beispielsweise der Laufzeit oder des geringen Projektfortschritts nicht in Frage. Häufig scheitern die Projekte auch am Risikoprofil. Aufgrund der Bereitstellung der erstrangigen Grundschuld verpflichten wir uns die Projekte noch umfangreicher zu prüfen und bieten nur einen Bruchteil der angebotenen Projekte auf der Plattform zur Investition an. Nur knapp 1% der Projekte wird auf ReaCapital veröffentlicht.

Lasse Kammer (Geschäftsführer ReaCapital)
Mein Gesprächspartner Lasse Kammer, Bildquelle: ReaCapital

Ergänzende Informationen

Ein Standortnachteil Deutschlands sind die zum Teil komplizierten Regularien bei der Konzeption von Finanzprodukten. Im Nachgang zu obigem Gespräch erörterte mir daher Nadja Brandenburg, Projektmanagerin im Unternehmen, einige Details. So stand die ReaCapital vor der Herausforderung, eine „schlanke“ Investitionslösung mit der dinglichen Sicherheit zu kombinieren.

Die am wenigsten bürokratische Lösung bei einem Direktinvestment via Crowdinvesting, das Nachrangdarlehen, darf nicht direkt mit einer Sicherheit wie etwa einer Grundschuld oder Bürgschaft unterlegt werden. In diesem Fall würde es sich um „unbedingt rückzahlbare Gelder“ und damit ein Einlagengeschäft handeln, bei dem das Kreditwesengesetz (KWG) und damit ein Fülle behördlicher Auflagen greifen würde. Daher hat die ReaCapital für sämtliche aktuellen und künftigen Nachrangdarlehen eine sogenannte bedingte Sicherheit installiert. Diese ist nicht projektbezogen, da der gesamte Investitionspool hierauf zurückgreifen kann.

Bei der Sicherheit handelt es sich um eine erstrangige Grundschuld über 1,4 Millionen Euro, eingetragen auf ein Bürogebäude in Hamburg-Barmbek. Eigentümerin des sonst schuldenfreien Gebäudes ist die Reafina-Gruppe, gleichzeitig Mutter der ReaCapital. Die aktuellen noch offenen Ausleihungen in Höhe von knapp einer Millionen Euro (ein Projekt wurde bereits voll zurückgezahlt) wären damit also sogar überdeckt. Im anzunehmenden Fall weiterer Finanzierung kann durchaus eine Unterdeckung entstehen. Damit sich diese auswirkt, müsste es dann aber bei mehreren Projekten gleichzeitig zu einem Ausfall kommen. In so einem Szenario würde übrigens keine Quote für alle betroffenen Projekt, sondern das Windhundprinzip gelten: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“

Allerdings beabsichtigt das Unternehmen die Lücke nicht übermäßig groß werden zu lassen und bei Bedarf weitere Objekte (die in der Reafina-Gruppe vorhanden sind) zum Zweck der Besicherung zur Verfügung zu stellen. So oder so müssen sich Anleger in dem Fall, dass es bei einem Projekt zum Zahlungsausfall kommt, bis zu einem halben Jahr gedulden. Gemäß Vertragsbedingungen beträgt die Verwertungsdauer 180 Tage.

Fazit

ReaCapital hat ein interessantes Anlagemodell entwickelt, welches ich im Vergleich zu anderen heimischen Plattformen bevorzugen würde (zumindest bei Zinsen von 6 Prozent pro Jahr aufwärts). Die erstrangige Grundschuld schafft zum einen ein Stück weit mehr Sicherheit als bei den sonst marktgängigen Nachrangdarlehen. Zum anderen, und das ist vielleicht noch viel entscheidender, schafft das Damoklesschwert der Verwertung einen Anreiz für das Unternehmen, äußerst sorgsam in der Auswahl der Schuldner und Projekte vorzugehen. Ein Fehler würde hier nämlich die Erträge vieler Jahre zunichte machen. Von daher würde ich sogar davon ausgehen, dass ReaCapital beziehungsweise die Reafina Zins- und Tilgungsleistungen bei Eintritt eines Zahlungsausfalls selbst aufbringen würde, um so ihren Immobilienbestand zu verteidigen.

Auch der Verzicht auf jede Form von Entgelten ist erfreulich, hierzu habe ich ja bereits an anderer Stelle ein Negativbeispiel vorgestellt. Ferner bewerte ich die kürzlich eingegangene strategischer Partnerschaft mit der dem genossenschaftlichen Finanzverbund angehörigen GLS Bank aus Investorensicht als positiv. Ein kleiner Wermutstropfen für Einkommensinvestoren ist allerdings der Umstand, dass bisher ausschließlich endfällige Darlehen angeboten wurden – regelmäßige Zwischenzahlungen würden das Angebot attraktiver gestalten.

Das Modell des Crowdinvesting bei ReaCapital befindet sich jedoch in einer laufenden Weiterentwicklung, so dass eine regelmäßige Zinsauszahlung zukünftig insbesondere für Bestandsobjekte, wie etwa Modernisierung und Revitalisierung, angeboten werden soll. Wie mir Frau Brandenburg vor wenigen Tagen mitgeteilt hat, soll in Kürze ein neues Finanzierungsprojekt freigeschaltet werden.

PS: Einen groß angelegten Praxistest im Bereich Crowdinvesting führt seit Mai 2016 das Finanzportal Kritische Anleger durch. Hierbei wird mit monatlich 1.000 Euro ein breit diversifiziertes Echtgeldportfolio aufgebaut. Das Ziel der Betreiber ist es rauszufinden, ob sich langfristig die versprochenen Renditen tatsächlich erwirtschaften und wie stark sich Projektausfälle auswirken. Sie sind auch in ein Immobilienprojekt von ReaCapital investiert.

PPS: Kennen Sie weitere innovative und interessante Finanzdienstleister, die ich zu ihren Angeboten befragen soll? Schreiben Sie mir Ihre Vorschläge – mit oder ohne E-Mail-Kontakt!

    7 Antworten auf „Geldgespräch – Lasse Kammer von ReaCapital“

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