Faktencheck – Die betriebliche Altersvorsorge (bAV)

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Die ideale Form der Alterssicherung?

Eine beliebte Form des (nachgelagerten) passiven Einkommens, mit welcher ich regelmäßig in meinem Hauptberuf als Personalverantwortlicher eines mittelständischen Unternehmens zu tun habe, ist die moderne Form der Betriebsrente, die betriebliche Altersvorsorge (bAV). Das liegt vor allem daran, dass jeder Arbeitnehmer nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) einen Rechtsanspruch auf den Abschluss einer bAV hat. Dies hat zwei Folgen. Einerseits erfreuen sich Personalabteilungen bei den Produktanbietern hoher Beliebtheit. Andererseits ist die bAV geradezu prädestiniert, das seit 2005 schwindende Geschäft der Finanzbranche mit klassischen Kapitallebens- und Rentenversicherungen aufzufangen. Werfen wir also einen Blick hinter die Kulissen dieses Vorsorgesystems.

Funktionsweise der bAV

Die bAV gehört zur sogenannten „zweiten Säule“ der Altersvorsorge. Der Vertragsabschluss erfolgt dabei durch den Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers, in der Regel über einen bAV-Anbieter. Meist handelt es sich dabei um eine Bank oder Versicherung beziehungsweise einen hierauf spezialisierter Ableger. Der bAV-Vertrag wird monatlich durch Entgeltumwandlung bedient. Dabei werden die Sparbeiträge direkt vom Bruttogehalt des Arbeitnehmers abgezogen und durch den Arbeitgeber in den Vertrag eingezahlt. Hierauf fallen bis zu einer Summe von aktuell 3.048 Euro pro Jahr keine Steuern und Sozialabgaben an. Der Arbeitnehmer muss also nur einen Teil des Sparbeitrags durch Nettolohnverzicht finanzieren (Beispiel folgt). Aufgrund der progressiven Steuer- und üppigen Abgabenquote muss dieser oftmals weniger als 50 Cent aufwenden, um einen Euro Sparbeitrag zu generieren.

Neben diesem verführerischen Umstand dürfte auch die Tatsache, dass der Abschluss entsprechender Policen allein aufgrund der Versicherungssummen und Vertragsbündelungen hoch provisioniert wird, zur Verbreitung der bAV beigetragen haben. Über 15 Millionen Arbeitnehmer, ein gutes Drittel aller 44 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland, verfügte mit Stand Ende 2015 über eine bAV.

Grundsätzlich kommt bei der bAV das Kapitaldeckungsverfahren zur Anwendung. Die Beiträge jedes Versicherten werden dabei – abzüglich der Kosten für Verwaltung, Vertrieb, Marketing etc. – vom Anbieter gesammelt und am Kapitalmarkt angelegt. Aus dem angelegten Vermögen, dem Deckungsstock, müssen alle garantierten Ansprüche des Versicherten befriedigt werden. Hinzu kommt bei Fälligkeit entsprechend des individuellen Anteils am Deckungsstock die Beteiligung der versicherten Arbeitnehmer an nicht garantierten Überschüssen.

Insgesamt verwalteten die eigenständigen bAV-Einrichtungen, hierzu gehören Unterstützungskassen, Direktversicherungen, Pensionsfonds und Pensionskassen, zum Ende des Jahres 2014 knapp 270 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Zu beachten ist allerdings, dass nicht nur zahlreiche Bedingungen des Sparvertrags sondern auch die bAV-Einrichtungen einschließlich deren Anlagepolitik erheblichen gesetzlichen Regularien unterworfen sind. Hierüber wacht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als zuständige Regulierungsbehörde.

Gemäß einer von der Deutschen Postbank AG in Auftrag gegebenen Studie mit dem Titel „Altersvorsorge in Deutschland 2013/2014“ bezeichneten 52 Prozent der Berufstätigen in Deutschland ab 16 Jahre die bAV als „ideale Form der Alterssicherung“. Getoppt wird dieser Zustimmungswert nur noch durch den für selbstbewohntes Immobilieneigentum.

Ferner spricht sich sogar eine Mehrheit der Befragten dafür aus, den Abschluss eines bAV-Vertrages für jeden Arbeitnehmer als obligatorische Pflicht gesetzlich zu verankern. Ob solcher euphorischer Zustimmungswerte verdienen mindestens jene produkt- und anbieterunabhängigen Parameter eine nähere Betrachtung, die unmittelbar auf das Rendite-Risiko-Profil der ganzen Gattung durchschlagen.

Parameter Deckungsstock

Die den bAV-Einrichtungen zufließenden Mittel müssen am Kapitalmarkt angelegt werden, um die garantierten Rentenzusagen erbringen zu können. Hinsichtlich ihrer Anlagepolitik sind sie allerdings keineswegs frei, sondern erheblichen Restriktionen unterworfen. So schreibt die BaFin explizit vor, dass die verwalteten Gelder ganz überwiegend in „sichere“ Anlagen zu investieren sind. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die eingezahlten Beiträge als Mindestleistung garantiert werden können. Unter „sicher“ versteht die Behörde ausschließlich die Anleihen von Staaten und Banken innerhalb des Eurosystems – auch diejenigen von mehr oder minder am Rande der Insolvenz lavierenden Schuldnern. Die Vorgabe orientiert sich an der von der EU-Kommission initiierten und zum 01. Januar 2016 in Kraft getretenen Solvency II Richtlinie zur Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen. Auf die historisch dürftige Performance von Anleihen bin ich an dieser Stelle bereits in einem anderen Beitrag näher eingegangen.

Schätzungsweise 90 Prozent der bAV-Anlagegelder waren im Jahr 2012 in Euro-Staatsanleihen und von Banken emittierten Pfandbriefen mit langer Laufzeit angelegt. Der Deckungsstock umfasst nach wie vor je nach Anbieter beispielsweise auch Staatsanleihen aus Griechenland, Italien, Portugal, Irland und Belgien. Trotz Staatsschuldenquoten jenseits der 100 Prozent handelt es sich gemäß Solvency II um risikoneutrale Vermögenspositionen für die keinerlei Eigenkapital vorgehalten werden braucht. Hinzu gesellen sich Emissionen von Bankhäusern, die allein vom Steuerzahler am Leben erhalten wurden (und teilweis werden). In wie weit diese Vermögenswerte tatsächlich langfristig tragen ist einstweilen mit einem großen Fragezeichen zu versehen.

Umgekehrt ist die bAV für diese Institutionen eine sprudelnde Finanzierungsquelle. Jeder bAV-Sparer betätigt sich automatisch als Staats- und Bankengläubiger, dessen Anteil am Deckungsstock natürlich auch entsprechenden Zahlungsausfallrisiken unterliegt. Diese werden vor allem von den Verkäufern in aller Regel als vernachlässigbar dargestellt, allerdings galt vor 10 Jahren auch die Pleite eines EU-Staates oder die Enteignung von Bankkunden innerhalb des Eurosystems als völlig utopisch und absolut unvorstellbar. In letzter Instanz – das nur der Vollständigkeit halber – haftet übrigens immer der Arbeitgeber!

Parameter Flexibilität

Ein bAV-Vertrag bindet den Arbeitnehmer langfristig, gegebenenfalls bis zum Lebensende. Eine vorzeitige Kündigung ist möglich, die Rückabwicklung erfolgt gleichwohl unter Inkaufnahme hoher Kosten. Schwerer allerdings wiegt aus meiner Sicht die angesichts der langfristigen Bindung mangelnde Rechtssicherheit. Hierzu zwei wenig vertrauensbildende Gerichtsurteile:

Im Jahr 2010 bejahte das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen rückwirkend (!) die grundsätzliche Beitragspflicht von bAV-Renten zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und zwar mit dem vollen Beitragssatz. Dies entspricht einer effektiven Kürzung von (aktuell) gut 15 Prozent, Steigerungen sind natürlich nicht ausgeschlossen. bAV-Renten werden den Versicherungen übrigens automatisch vom Produktanbieter gemeldet, die Beiträge automatisch abgeführt. Das Urteil betrifft übrigens auch andere geförderte Formen der Altersvorsorge wie die Riester- und teilweise die Rürup-Rente. Zwei Jahre später urteilte das Bundesarbeitsgericht, dass bAV-Leistungen unter bestimmten Rahmenbedingungen erst ab 67 Jahren gezahlt werden müssen, auch wenn sie ursprünglich ab Beginn des 65. Lebensjahr zugesagt wurden.

Jedem bAV-Sparer sollte somit bewusst sein, dass er ein rigides, unbeeinflussbares und juristischen Spielbällen unterworfenes Produkt erwirbt.

Parameter Kosten

Neben Lebens- und Rentenversicherungen sowie Riester- und Rürup-Policen sind bAV-Verträge die mit am höchsten provisionierten Produkte der Finanzbranche. Dies sorgt nicht nur für Verkaufsanreize sondern zieht natürlich auch entsprechende Kosten nach sich, die von den Sparbeiträgen abgehen, nicht dem Deckungsstock zugeführt werden und daher keine Erträge generieren können. Dazu schlagen die Aufwendungen für Verwaltung, Vertrieb und Marketing zu Buche.

Diese Gesamtkosten werden allerdings nicht transparent ausgewiesen. Lassen Sie sich einfach mal von einen Verkäufer von bAV-Policen folgende simple Frage beantworten: Wie viele Cent von jeden Euro Monatsbeitrag gehen in den Deckungsstock und wie viele Cent fließen in die Kostendeckung und Risikovorsorge? Ich konnte jedenfalls nicht einmal eine befriedigende Antwort hierzu erhalten. Zur Deckung der Kosten fallen bei Lebensversicherungen übrigens über die Gesamtlaufzeit durchschnittlich zwanzig Prozent der (Gesamt-)Beiträge an. Fakt ist, dass fast jeder bAV-Vertrag mit hohen Provisionen und Kosten behaftet ist, die von den Anbietern in der Regel nicht hinreichend aufgeschlüsselt werden (können).

Parameter Ertrag

In einem Land, in dem der Steuerspartrieb stärker als der Geschlechtstrieb ausgeprägt zu sein scheint, ist das Werben mit Steuer- und Abgabenfreiheit ein schier unschlagbares Verkaufsargument. Nur so ist es zu erklären, dass die Renditen der gängigen bAV-Anbieter bezogen auf deren Rentenzusagen kaum mit der Alternative einer privaten Anlage aus versteuertem Nettoeinkommen verglichen werden. Meine Erkenntnis: Bei fast jedem Anbieter müssen Versicherungsnehmer die durchschnittliche Lebenserwartung weit überschreiten, um gegenüber der privaten Spartätigkeit mit anschließendem Kapitalverzehr eine Überrendite zu erzielen.

Neben dem Zwang zur Veranlagung in derzeit niedrig verzinste Anleihen schlagen die vergleichsweise hohen Aufwendungen für Verwaltung, Vertrieb und Marketing zu Buche. Beide Faktoren überkompensieren in vielen Fällen die ersparten Steuern und Abgaben, zumal die Anbieter noch das Risiko eines langen Lebens durch entsprechende Rückstellungen absichern müssen, was wiederum aus den zufließenden Beiträgen erfolgt. Da bAV-Verträge Rentenzahlungen bis zum Lebensende vorsehen, wird die effektive Nominalrendite per annum eines solchen Vertrages wohlweislich auch fast nie angegeben. Genau diese sollte sich aber jeder interessierte Sparer vom Produktanbieter auf Basis der durchschnittlichen Lebenserwartung attestieren lassen – Überraschungen werden nicht ausbleiben, vor allem wenn hiervon noch zwecks Ermittlung der entscheidenden Realrendite die Inflationsrate abgezogen wird. Hierbei ist natürlich auch zu beachten, dass sämtliche Auszahlungen sowohl mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen als auch Steuern belegt werden.

Erschwerend kommt aktuell hinzu, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen über die letzten Jahre kräftig nach unten manipuliert hat, um angeschlagenen Euroschuldnern ihre Refinanzierung zu erleichtern beziehungsweise überhaupt zu ermöglichen. Dies macht es bAV-Anbietern aufgrund der rigiden Vorgaben für den Deckungsstock fast unmöglich, abzüglich aller Kosten eine passable Rendite oberhalb der Inflationsrate zu erwirtschaften. Das könnte freilich auch Methode haben. In einem bereits im oben erwähnten Beitrag zur Performance von Anleihen erwähnten „Working Paper“ des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 2013 mit dem bezeichnenden Untertitel „Financial and Sovereign Debt Crises: Some Lessons Learned and Those Forgotten“ wird genau diese Option diskutiert. Demnach könnten Staatsschulden problemlos auf Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen abgewälzt werden, indem diese über Regulierungsmaßnahmen gezwungen werden, weit geringere Renditen zu akzeptieren, als sie unter normalen Umständen fordern würden.

Auf absehbare Zeit dürfte daher abhängig von Vertragsgestaltung und Lebenszeit jeder bAV-Vertrag ein mager bis negativ verzinstes Investment bleiben – trotz der unverdrossen gepriesenen Steuer- und Abgabenfreiheit.

Zwischenfazit

Ein jeder an seiner Altersvorsorge interessierte Angestellte mag für sich selbst entscheiden, ob ein bAV-Vertrag hierzu das Mittel der Wahl darstellt. Falls ja, sollten die vier hier skizzierten Punkte unbedingt im Beratungsgespräch thematisiert und die Ergebnisse schriftlich fixiert werden. Gemäß Statistischem Bundesamt können hierbei Männer im Alter zwischen 20 und 40 mit einer Lebenserwartung von etwa 79 Jahren rechnen. Der entsprechende Wert für Frauen liegt bei circa 83 Jahren.

Übrigens: Trotz dieser erheblichen Differenz darf nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) das Geschlecht als Faktor zur Berechnung von Versicherungsverträgen nicht mehr herangezogen werden. Seit dem 21. Dezember 2012 werden daher in Deutschland ausschließlich sogenannte Unisex-Tarife angeboten. Davon sind natürlich auch sämtliche bAV-Verträge betroffen. Das heißt bei gleichen Beiträgen und zugesagten Rentenhöhen beziehen Frauen über die gesamte Laufzeit der Auszahlungen durchschnittlich mehr Leistungen als Männer. In diesem Versicherungssegment erfolgt also eine Quersubventionierung zu Lasten letzterer, welche die ohnehin dünne Rendite versicherungsmathematisch drückt – auch dessen sollten sich Interessenten zumindest bewusst sein.

Gleichermaßen heimgesucht werden Angehörige beider Geschlechter hingegen von der gänzlich diskriminierungsfreien Geißel der Inflation. Der Index der Lebenshaltungskosten, vulgo Inflationsrate, betrug in Deutschland zwischen 1996 und 2014 nach der Statistik der Deutschen Bundesbank etwa 1,5 Prozent pro Jahr – langfristig betrachtet übrigens ein unterdurchschnittlicher Wert.

Zudem gilt es die aus Kundensicht wenig erquicklichen gesetzlichen Änderungen zu beachten, die letztlich auch bAV-Verträge betreffen. So trat zum 01. Januar 2014 die neue Fassung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) in Kraft. Hier hat es insbesondere § 314 in sich. Er regelt Auszahlungsverbote sowie die Herabsetzung von Leistungen für den Fall, dass ein Institut „dauerhaft nicht mehr imstande ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen“. Zudem wird selbst bei Leistungsverweigerung seitens der Versicherung „[…] die Pflicht der Versicherungsnehmer, die Versicherungsentgelte in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen […] nicht berührt.“ Noch jüngeren Datums ist das Mitte 2014 verabschiedete Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG). Es regelt unter anderem, dass die stillen Reserven der Versicherer, die vor allem aus Buchgewinnen resultieren, wenn beispielsweise der Marktpreis zuvor gekaufter Anleihen zwischenzeitig im Wert gestiegen sind (wie in den letzten drei Jahrzehnten regelmäßig der Fall), nicht mehr an Kunden mit auslaufenden Verträgen ausgeschüttet werden müssen.

bAV versus private Vermögensverwaltung

Wer zumindest über Grundkenntnisse der Funktionsweise von Kapitalmärkten verfügt beziehungsweise bereit ist sich diese anzueignen, sollte als Alternative zur geförderten Altersvorsorge die private Vermögensverwaltung aus versteuertem Nettoeinkommen in Betracht ziehen. Gerade im direkten Vergleich mit der bAV schneidet diese Alternative trotz des vermeintlichen Nachteils mangelnder Steuer- und Abgabenfreiheit und daher niedrigerer Gesamtsparraten durchaus konkurrenzfähig ab, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht. Die Vertragsdaten sind einem auf meine Person zugeschnittenen Angebot eines großen deutschen Versicherungsunternehmens entnommen und stammen aus dem Jahr 2011, als die Umlaufrendite noch deutlich oberhalb von zwei Prozent notierte (siehe auch Grafik weiter unten).

Beispielrechnung bAV
Aktuelles Alter 35
Vertragslaufzeit 32 Jahre
Nettolohnverzicht 76,92 €
Bruttolohnersparnis (Arbeitnehmer) 75,00 €
Lohnkostenersparnis (Arbeitgeber) 30,00 €
Gesamtbeitrag Entgeltumwandlung 181,92 €
Garantierente (brutto) pro Monat 293,00 €
Garantierente (netto) pro Monat 247,59 €
Überschussrente (brutto) pro Monat 545,00 €
Überschussrente (netto) pro Monat 460,52 €

Die jeweilige Rente wird (derzeit) ab Vollendung des 67. Lebensjahres bis zum Tod gezahlt. Die Nettorente ergibt sich aus der Bruttorente abzüglich 15,5 Prozent Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Unter der beispielhaften Annahme einer Restlebenserwartung von 15 Jahren nach Rentenbeginn ergeben sich dabei folgende Renditen p. a.:

Nettolohnverzicht Gesamtbeitrag
Garantierente (brutto) 2,42 % -1,21 %
Garantierente (netto) 1,72 % -1,95 %
Überschussrente (brutto) 4,91 % 1,43 %
Überschussrente (netto) 4,24 % 0,72 %

Nur bezogen auf den reinen Nettolohnverzicht in Kombination mit der hypothetischen Überschussrente (also dem bestmöglichen aller Fälle) kann der Arbeitnehmer überhaupt auf eine Rendite deutlich oberhalb der langfristig mittleren Inflationsrate rechnen. Zudem wurden weder die Steuerbelastung noch der Verlust an Ansprüchen aus der gesetzliche Rentenversicherung (durch die Entgeltumwandlung sinkt das rentenversicherungspflichtige Einkommen) in die Kalkulation einbezogen. Beide Faktoren wirken zusätzlich renditemindernd. Zudem ist der Bezug auf den Nettolohnverzicht als Leistungsausweis äußerst schmeichelhaft, schließlich fällt dem Produktanbieter ja der volle Beitrag zu.

Es darf vor diesem Hintergrund kaum verwundern, dass bAV-Anbieter grundsätzlich mit der prognostizierten Überschussrente werben, obwohl diese in keiner Weise zugesichert werden kann und immer von der Entwicklung des Vermögens im Deckungsstock abhängt. So wurde gerade in den letzten Jahren bei zahlreichen Versicherern die Höhe der Überschüsse zum Ende der Ansparphase reihenweise kassiert. Und dies, obgleich der Nullzins erst nach und nach auf die Portfolios der Anbieter durchschlagen wird. Denn noch profitieren diese beziehungsweise ihre Kunden von relativ hoch verzinsten Altanlagen (und deren gestiegene Kurse), die jedoch sukzessive auslaufen. Spätestens, wenn die Zinsen wieder anziehen, werden die Kurse sämtlicher, auch der nicht oder kaum verzinsten Anleihen unausweichlich fallen und das Vermögen des Deckungsstocks deutlich mindern – ein Fall für §89 VAG?

Historische Entwicklung der Umlaufrendite
Entwicklung der Umlaufrendite, Bildquelle: Deutsche Bundesbank (freigegeben)

Alternativ zur bAV kann die Sparrate in Höhe des Nettolohnverzichts im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung veranlagt werden. Hierbei wird eine kalkulatorische Rendite von durchschnittlich fünf Prozent unterstellt. Diese Rendite war historisch durch ein global diversifiziertes Wertpapierportfolio verschiedener Anlageklassen bei 80 Prozent Aktien und 20 Prozent Anleihen erzielbar, selbst wenn für die Anleihenkomponente eine Verzinsung von null Prozent angenommen wird. Bei Entnahme einer Privatrente in Höhe der maximalen Nettoauszahlungen der bAV wird das Sparvermögen nicht nur nicht verzehrt sondern sogar leicht gemehrt – so freuen sich gegebenenfalls noch die Erben über einen soliden Kapitalstock (im Fall der bAV „erbt“ diesen in aller Regel der Produktanbieter).

Beispielrechnung private Geldanlage
Aktuelles Alter 35
Sparzeitraum 32 Jahre
Sparrate (analog Nettolohnverzicht) 76,92 €
Kalkulationszinssatz 5,00 %
Sparkapital zum Laufzeitende 69.503,83 €
Entnahme pro Monat (analog Nettogarantierente) 247,59 €

Angebote jüngeren Datums unterscheiden sich dabei hinsichtlich der finanziellen Vertragsdaten übrigens kaum vom hier skizzierten Angebot. Tendenziell erweisen sich diese aufgrund der zwischenzeitigen Zinsentwicklung in aller Regel als noch nachteiliger. Das dem obigen Rechenbeispiel zugrunde liegende Renditemuster ist daher nach wie vor repräsentativ und wird durch die aktuellen Konditionen selbst bestbeleumundeter Traditionsunternehmen der Branche bestätigt. Dieses Muster lässt sich wie folgt verallgemeinern:

  1. Bezogen auf die Garantierente ergibt sich bei durchschnittlicher Lebenserwartung stets eine Negativverzinsung auf den geleisteten Gesamtbeitrag.
  2. Selbst unter Zugrundelegung des Nettolohnverzichts bewegt sich die Verzinsung bezogen auf die Garantierente nur knapp oberhalb der langjährigen durchschnittlichen Inflationsrate.
  3. Wird der Gesamtbeitrag zur Überschussrente in Beziehung gesetzt, ist noch nicht einmal ein Inflationsausgleich zu erwarten, der Vertrag rentiert also real negativ.
  4. Nur die Kombination von Nettolohnverzicht und Überschussrendite bietet mit einer jährlichen Rendite von 3 bis 5 Prozent (auf dem Papier) die Aussicht auf eine positive Realverzinsung.

Im ersten Fall wäre es somit also sogar vorteilhafter, wenn der Gesetzgeber die Bargeldhortung als Durchführungsweg zugelassen hätte. Für finanzmathematische Berechnungen empfehle ich übrigens den kostenlosen Onlinerechner von Thomas Gottfried.

Schlussfazit

Wer profitiert von dieser über die Jahre gesehen im Schnitt doch erheblichen Diskrepanz zwischen Ein- und Auszahlungen? Die Defizite der einen müssen natürlich anderswo zu Überschüssen werden – hier sei an die Parameter Deckungsstock und Kosten verwiesen. Zurück zur Mehrheit in der eingangs zitierten Postbank-Studie, die einer gesetzlich normierten bAV-Teilhabe für jedermann das Wort redet: Diese scheint tatsächlich das größte Unglück der größten Zahl – reale Verluste für jedermann – mit Nachdruck anzustreben. Existieren denn überhaupt grundsätzlich empfehlenswerte bAV-Produkte? Ja, sofern diese keine Geldanlage sondern reinen Risikoschutz beinhalten. Dies ist nämlich gemäß BetrAVG ebenfalls zulässig, wird aber von kaum einem Anbieter aktiv beworben (eventuell aufgrund niedrigerer Provisionen?). Jedenfalls eröffnen entsprechende Rahmenverträge mit Unternehmen selbst regulär nicht oder nur sehr teuer versicherbaren Arbeitnehmern den Zugang zu äußerst kostengünstigen Versicherungsleistungen ohen Gesundheitsprüfung wie beispielsweise einen je nach Lebensumständen zweckmäßigen Berufsunfähigkeits- oder Hinterbliebenenschutz.

PS: Gibt es weitere Investitionsangebote, die ich einem Faktencheck unterziehen soll? Schreiben Sie mir Ihre Wünsche – mit oder ohne E-Mail-Kontakt!

    12 Antworten auf „Faktencheck – Die betriebliche Altersvorsorge (bAV)“

    1. Leider muss ich in einigen Punkten den Ausführungen widersprechen.Da ich selbst in der BAV Beratung(Neueinrichtung und Sanierung bestehender BAV Lösungen) mittelständischer Unternehmen unterwegs bin ( Honorarberatung ) hier meine Kritikpunkte:
      1. BAV ist Arbeitsrecht und hat überhaupt nichts mit Versicherungen zu tun.
      2. Aus dem Arbeitsrecht leitet sich die Haftung oder Einstandspflicht des Arbeitgebers (§1BetrAVG ff) für sein Versprechen gegenüber dem Arbeitnehmer ab. (Rente,Kapital etc.)

      3.Der Autor betrachtet nur die höchst (und da gebe ich ihm 100 %ig Recht)ineffektiven, versicherungsförmigen Durchführungswege der BAV (Direktversicherung,Pensionskasse(Versicherung),rückgedeckte(über Versicherungen) U-Kasse
      3. Es gibt, Gott sei Dank noch, auch versicherungsfreie Durchführungswege (die wir z.B.unseren Mandanten empfehlen) wie Direktzusage und pauschaldotierte U-Kassen
      4.Bei unseren Lösungen wird mit der beitragsorientierten Leistungszusage gearbeitet, welche höchst flexibel für den Arbeitnehmer ist.
      5.Der Arbeitnehmer erhält von seinen Vertragspartner (dem Arbeitgeber) einen garantierten Zins( zwischen 2-3% p.a.) auf seinen Beitrag und zwar auf 100% des Beitrages
      6. Der Arbeitgeber(in der Regel mit seinen Anlageexperten) ist frei in der Anlage der gesammelten Gelder, z.B am Kapitalmarkt,Immobilien,in der eigenen Firma (Einsparung der Kontokorrentzinsen, Neuinvestitionen etc.)
      7. Im Gegensatz zu versicherungsförmigen Lösungen sind die AN sogar bei einer Insolvenz des Arbeitgebers über den Pensionssicherungsverein abgesichert.
      Leider erliegt der Autor, genau wie viele Unternehmer draußen, dem Trugschluß BAV hat etwas mit Versicherungen zu tun.Da hat die Lobby der Versicherungen zusammen mit Staat und Banken ganze Arbeit gemacht.
      Unsere Erfahrung zeigt BAV mit dem richtigen (versicherungsfreien) Konzept ist ein Segen, sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Unternehmer(und auf die kommt es hauptsächlich an). Zahlen können bei mir angefordert werden.
      P.S. Eine der ältesten U-Kassen gründete vor ca. 150 Jahren Krupp zur Absicherung seiner Mitarbeiter.
      Beispielrechnung bAV (Versicherung)

      Aktuelles Alter: 35

      Vertragslaufzeit: 32 Jahre

      Nettolohnverzicht: 76,92 Euro

      Bruttolohnersparnis (Arbeitnehmer): 75,00 Euro

      Lohnkostenersparnis (Arbeitgeber): 30,00 Euro

      Gesamtbeitrag Entgeltumwandlung: 181,92 Euro

      Garantierente (brutto) pro Monat: 293,00 Euro

      Garantierente (netto) pro Monat: 247,59 Euro

      Versicherungsfreies Konzept:
      Garantiezinssatz: 2 % p.a.
      Gesamtumwandlungsbetrag: 181,92 €
      Laufzeit: 32 Jahre
      Garantiertes Kapital: 97.742,43 € oder wahlweise
      Rente abzgl.16% ergibt: 402,47 € mtl.Rente

    2. Guten Tag, zu Ihrem Beitrag habe ich eine vergnügliche Ergänzung.

      Kürzlich erhielt ich eine doch recht dusselige Email eines Finanzprodukteverkäufers („selbständiger Makler“), der um „ehrliche Antwort“ zu einem bAV-Vertrag bat. Die habe ich ihm am vergangenen Freitag, nach detailliertem Nachrechnen gegeben – ganz ehrlich und offiziell in meinem Finanzblog. Der Beitrag sorgt immer noch für gewisse Wellen… Gönnen Sie ihm einen Blick. Viel Spaß 😉

      http://schliesslich-ist-es-ihr-geld.de/betruebliche-altersversorgung-leider-oft-eine-herbe-enttaeuschung/

      Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.

      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sein kein LeO!

      1. Guten Tag Herr Prof. Walz,
        vielen Dank für den Hinweis auf Ihren Beitrag und schön, dass wir in diesem Punkt einer Meinung sind. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Aufklärungsarbeit!

        Beste Grüße
        Luis Pazos

    3. Hallo Luis,

      die „Wirksamkeit“ einer bAV hängt aber immer auch von der Großzügigkeit des Arbeitgebers ab!

      Bei mir ist das so, dass mein AG mich mit 1% meines Jahresbruttos bezuschusst, wenn auch ich min 1% in die bAV zahle. Und das beste ist, ich muss zwar in eine Fondsgebundene Direktversicherung einzahlen, das AG Geld wird aber seperat verwaltet und mit (bisher) 5% fest verzinst. Zusätzlich ist der (momentane) „Rentenfaktor“ von meinem AG mit ca 60 auch noch sehr attraktiv!

      In Summe rechne ich daher, dass meine Versicherungspolice mir deutlich unter 1% p.a. Rendite einbringt, aber der AG Zuschuss dafür sorgt, dass meine erwartete Rendite auf die Nettobeträge mehr als 1,5% p.a. höher liegt, als die Direktinvestition der Nettobeträge in ein Weltportfolio. Mit einfacher Zinsrechnung und Kapitalverzehr resultiert daraus eine 200€/Monat höhere Rente unter der Annahme, das ich lediglich 80 werde. *

      Natürlich kann es sein, dass mein AG die Konditionen in den nächsten 30 Jahren ändert (oder ich den AG wechsle), aber momentan kann eine private Vprsorge (die ich darüber hinaus natürlich auch betreibe) sich nicht mit der bAV messen. Und solange das so bleibt, halte ich mit den Mindestbeiträgen die Versicherung am Leben und freue mich über die Rendite durch den AG.

      Sicherlich kann man pauschal sagen, dass sich heutzutage wohl kein auf Versicherungen basierender bAV Vetrag mit einer Direktanlage messen kann, ob sich das Gesamtpaket nicht aber vielleicht doch lohnt, das sollte sich jeder einmal für seinen speziellen Fall durchrechnen.

      *Mit längerer Lebenserwartung steigt die Differenz, da der AG Anteil als lebenslange Rente gezahlt wird. Das sind natürlich reine Brutto Renten. Wie die Besteuerung von bAV/Kapitalerträgen in 30 Jahren aussehen mag weiß keiner. Da aber bAV Einkünfte schon heute regulär besteuert werden, denke ich nicht, das sich das positiv richtung Kapitalerträge entwickeln wird..

      1. Hallo Timo,
        danke für diese Ergänzung. In der Tat kann der Arbeitgeber so einen Vertrag „hebeln“, der sich sonst nicht lohnen würde. Gleiches gilt ja beispielsweise auch für Riesterverträge bei mehreren berücksichtigungsfähigen Kindern. In diesem Fall ist der Nachwuchs der Hebel, zumindest bei klassischen Verträgen. Ich selbst tue mich allerdings schwer mit Geldanlagen, die nur über Fördermaßnahmen eine positive Realrendite erwirtschaften – aber das ist natürlich eine Frage der persönlichen Präferenzen.

        Beste Grüße
        Luis

        1. Hallo Luis,

          kann ich nachvollziehen, dass du gegen geförderte Produkte bist. Ich muss aber tatsächlich sagen, dass ich meinem AG eher Beständigkeit zuspreche, als irgendwelchen Geschichten der Regierung.

          Insofern nehme ich diese Boni gerne in Anspruch. Es gibt zwar auch beim AG ca. alle 15-20 Jahre ne Anpassung in den bAV Regelungen, aber bisher war es so, dass die Altverträge in Kraft bleiben und nur die neuen MA Verträge nach den neuen Regelungen bekommen.
          Wie so oft beim Investieren weiß man immer erst am Schluss, was besser gewesen ist. Ich sehe das aber als weiteres unkorreliertes Asset.

          Genau so nehme ich auch die Aktienkaufprogramme gerne wahr. Aktien vergünstigt kaufen, dann schnell das eingesetzte Kapital wieder abziehen und sich über die vierteljährigen Dividenden (US Unternehmen) der „Gratisaktien“ freuen.

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