Kennzahlen – Yield On Cost

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Von der Standardaktie zum Hochdividendenwert

Anlegern, denen die klassischen Hochdividendenwerte, wie ich sie in „Bargeld statt Buchgewinn“ beschreibe, zu exotisch sind, steht ein alternativer Weg zu zweistelligen Ausschüttungsrenditen offen. Hierzu sind lediglich zwei Zutaten nötig: Eine solide Standardaktie und ein Hebel. Der Hebel lautet in diesem Fall Zeit. Sie macht aus der ersten Zutat über kurz oder lang einen Hochdividendenwert. Abzulesen ist dieser Status an der zu Unrecht ein Schattendasein fristenden Finanzkennzahl Yield On Cost (YOC).

Die YOC oder auch Yield on Original Investment (YOI) bezeichnet die Dividendenrendite eines Wertpapiers bezogen auf den Kaufkurs (im Gegensatz zum aktuellen Tageskurs). Sie errechnet sich aus der Höhe der Ausschüttung des letzten Jahres geteilt durch den durchschnittlichen Einstandskurs, zu dem der Anleger den Titel gekauft hat. Das liest sich unspektakulär, auf lange Sicht ist der Effekt jedoch enorm. Die Kennzahl sowie den Effekt möchte ich an einem persönlichen Beispiel demonstrieren.

Werk der Bayer AG am Rhein
Bayerwerke, Bildquelle: A. Savin via Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Fallstudie Bayer AG

Bereits in einem früheren Beitrag hatte ich mein allererstes Börsenengagement erwähnt. Im August 1994 kaufte ich am Schalter der örtlichen Sparkasse Aktien der Bayer AG. Der Kurs dürfte sich vor Euroeinführung und Aktiensplit umgerechnet auf schätzungsweise 18,60 Euro belaufen haben. Die Dividende in jenem Jahr betrug 0,56 Euro, die Ausschüttungsrendite mithin circa drei Prozent. Das war seinerzeit ein überdurchschnittlicher Wert, die auf den DAX bezogene Dividendenrendite lag bei etwa 1,9 Prozent. Bis zum Beginn des neuen Jahrtausends entwickelte sich der Kurs unter heftigen Schwankungen recht ordentlich, um im Zuge des Dotcom-Crashs im Frühjahr 2003 auf gut zehn Euro abzustürzen. Relativ zu meinem Kaufkurs entsprach dies einem inflationsbereinigten Verlust von etwa 50 Prozent in fast neun Jahren!

Dividenden gab es übrigens trotzdem. Für das Geschäftsjahr 2003 insgesamt 0,90 Euro, im Folgejahr einen halben Euro – die bis heute nominal niedrigste Ausschüttung seit 1984. Bezogen auf den Crash-Kurs von zehn Euro entsprach dies allerdings einer respektablen Dividendenrendite von fünf Prozent. Bis Dezember 2017 stieg der Kurs, erneut unter heftigen Zuckungen, auf 107,50 Euro. Nach wie vor ist er allerdings deutlich vom Allzeithoch bei 146,45 Euro im Jahr 2015 entfernt. Dafür konnten sich die Aktionäre im letzten Jahr über eine Dividende in Höhe von 2,70 Euro freuen. Bezogen auf den Jahresendkurs entspricht das einer Ausschüttungsrendite von 2,5 Prozent.

Ich bin allerdings leer ausgegangen. Irgendwo im Dunst der späten 1990er Jahre verliert sich meine Verkaufsorder verbunden mit der längst verblassten Freude über einige hundert Euro Kursgewinn. Hätte ich die Position durchgehend gehalten, wäre ich 2017 mit einer YOC in Höhe von 13,4 Prozent belohnt worden! Diese errechnet sich aus der letzten Dividendenzahlung in Höhe von 2,70 Euro dividiert durch den Einstandskurs in Höhe von 18,60 Euro.

Bezogen auf meinen Kaufkurs wäre die Bayer AG demnach ein lupenreiner Hochdividendenwert – garniert mit der Sahnehaube eines hohen Kurs- und Dividendenpuffers. In dieser Hinsicht würde die Aktie sogar alle klassischen Hochdividendenwerte meines Standarddepots in den Schatten stellen – im Detail nachzusehen im Premiumbereich. Zwischen August 1994 und Dezember 2017 stieg der Kurs der Bayer AG um den Faktor 5,78 beziehungsweise knapp acht Prozent pro Jahr, die Dividende um den Faktor 4,82 oder gut sieben Prozent pro Jahr.

Die Qualität entscheidet

Als größte Hürde dürfte sich regelmäßig der Faktor Zeit erweisen: Wer gibt dem YOC-Effekt die Chance zur Entfaltung und hält tatsächlich 23 und mehr Jahre durch? Leider haben Anleger nur etwa zweimal die Chance dazu im Leben. Ich selbst habe es im ersten Anlauf nicht geschafft, der zweite Schuss sollte sitzen, wie mein Standardportfolio hoffentlich dokumentieren wird.

Fairerweise muss ergänzt werden, dass die Zeit genauso gut auch gegen den Anleger laufen kann. Hätte die Cousine meiner Mutter seinerzeit nicht bei Bayer gearbeitet – was für mich das entscheidende Kaufkriterium war –, sondern bei der Deutschen Bank, würde die Rechnung gegen Ende 2017 anders aussehen. Der Kurs stünde knapp 60 Prozent tiefer, von 37,30 ging es auf 16,00 Euro runter. Die Dividende wurde gar um 80 Prozent gekappt und betrug zuletzt statt 0,84 nur noch magere 0,19 Euro.

Es ging allerdings auch noch schlimmer. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn besagte Cousine bei Karstadt gearbeitet hätte. Die altehrwürdige Waren- und Versandhauskette war in den 1990er noch ein stattlicher DAX-Konzern. 2001 erfolgte der Rauswurf aus dem deutschen Leitindex, 2009 dann der Antrag auf Insolvenz – für Aktienanleger ein Totalverlust.

Diversifikation minimiert Risiken

Interessanterweise hat Bodo Schäfer in seinem 1998 erstmals veröffentlichten Bestseller „Der Weg zur finanziellen Freiheit“ (*) ausdrücklich die Deutsche Bank und Karstadt zum Kauf empfohlen. Denn nur „Aktien allererster Güte“ taugten für den „Königsweg“, eine Langfriststrategie, die sicherstellen sollte, dass Anleger „künftig jede Aktie wirklich nur noch mit Gewinn verkaufen.“ Bei Karstadt könnte das problematisch werden, bei der Deutschen Bank reicht eventuell doch noch ein langer Atem …

Doch Scherz beiseite: Die Entwicklung von Bayer, der Deutschen Bank und Karstadt im Jahr 1994 (und auch 1998) auf mehr als 20 Jahre vorherzusehen war schlichtweg unmöglich. Selbst wenn wir das seinerzeit faktisch nicht existente Internet beiseitelassen, haben sich die beiden überlebenden Unternehmen von Grund auf verändert. Diese kleine Fallstudie ist daher auch ein anschauliches Beispiel dafür, dass Prognosen zu Einzelgrößen in den allermeisten Fällen jeglicher Grundlage entbehren. Das ist übrigens ein Merkmal aller hinreichend komplexen sozialen Systeme, wozu die Börse zweifelsfrei zählt!

Die Strategie für Einkommensinvestoren

Wie können sich Anleger vor dieser prinzipiellen Unwissenheit schützen? Durch Diversifikation, sprich eine sehr breite Streuung ihrer Investitionen. Es ist Bodo Schäfer daher auch hoch anzurechnen, dass er obige Scharte in seinen neuen Publikationen auszuwetzen versucht und nunmehr für Sammelanlagen eine Lanze bricht. Für Einkommensinvestoren ist Diversifikation sowieso eine grundsätzlich überlegene Strategie, da es, überspitzt formuliert, zu viele Einkommensquellen nicht geben kann – zumindest sofern diese zu vertretbaren Kosten erschlossen werden können. Auch existieren keine „herausragenden“ Einzeltitel im Hochdividendenspektrum, auf die es sich lohnen würde, alle oder einen Großteil der Mittel zu konzentrieren. Und selbst der YOC-Effekt greift nicht nur bei der Bayer AG, sondern auch bei marktbreiten Indizes. Daten, Zahlen und Fakten dazu folgen in einem der nächsten Blogbeiträge!

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Fragen und Anmerkungen

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    4 Antworten auf „Kennzahlen – Yield On Cost“

    1. Hallo Luis,
      ich finde Deine Seite richtig gut und habe sie auch gleich meiner Finanzblogroll hinzugefügt. Schau doch mal vorbei, vielleicht hast Du auch Interesse daran, bei meiner Interviewserie mitzumachen? Das würde mich freuen.

      Beste Grüße
      Alexander

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