Geldgespräch – Christopher Grätz von Kapilendo

Crowdinvesting für den heimischen Mittelstand

Lang ist es her, mein letztes Interview mit einem Anbieter alternativer Finanzdienstleistungen. Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahr habe ich ergänzend zu börsennotierten Hochdividendenwerten auch die eine oder andere ausschüttungsstarke Geldanlage ohne Börsennotiz vorgestellt. Neben den P2P-Plattformen Estateguru und Mintos war dies beispielsweise der Crowdfundinganbieter ReaCapital.

Auch dieses Jahr soll nicht zu Ende gehen, ohne zumindest einen Anbieter vorgestellt zu haben. Da traf es sich gut, dass ich vor wenigen Wochen mit dem Unternehmensfinanzierer Kapilendo in Kontakt gekommen bin. Das Fintech aus Berlin ist seit gut drei Jahren am Markt und ist auf die Vergabe von Darlehen an mittelständische Unternehmen in Deutschland spezialisiert. Mit der FinLab AG, Engel & Völkers Capital sowie dem Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin verfügt Kapilendo zudem über interessante Gesellschafter. Mit Christopher Grätz, dem (Mit-)Gründer und Geschäftsführer von Kapilendo, habe ich mich ausführlich über das Geschäftsmodell und den Service der Plattform unterhalten sowie natürlich vor allem die Beteiligungsmöglichkeiten für Privatanleger und die daraus erwachsenden Chancen und Risiken thematisiert.

Logo von Kapilendo
Logo von Kapilendo, Bildquelle: Seite des Unternehmens

Unser Interview

Luis Pazos: Herr Grätz, bitte stellen Sie meinen Lesern das Konzept und Geschäftsmodell von Kapilendo kurz vor.

Christopher Grätz: Als Full-Service-Online-Plattform im Bereich Unternehmensfinanzierung erhalten Wachstumsunternehmen und kleine und mittelständische Unternehmen bei Kapilendo Zugang zu Nachrangkapital und klassischen Krediten durch private Anleger. Die Unternehmer suchen in der Regel eine maßgeschneiderte Unternehmensfinanzierung ganz ohne Bank und mit allen Vorteilen digitaler Prozesse, die Anleger suchen eine interessante festverzinsliche Geldanlage.

Luis Pazos: Wodurch unterscheidet sich Kapilendo im Vergleich zu ähnlich positionierten Plattformen?

Christopher Grätz: Das Besondere ist, dass Kapilendo viel mehr ist als nur eine digitale Finanzierungsplattform. Wir sehen die Unternehmer als Partner und setzen auch auf den persönlichen Kontakt. Wir begegnen den Unternehmern und ihren Geschäftsmodellen mit großer Empathie und Wertschätzung. Den Anlegern bieten wir die Möglichkeit selbst zu entscheiden wem und wofür sie ihr Geld zur Verfügung stellen und lernen das Unternehmen und den Unternehmer digital kennen. In Kurzfilmen stellen wir unseren Anlegern die Finanzierungsprojekte, das Unternehmen und den Unternehmer vor. Die Geschäftsmodelle sind vielfältig und reichen von bekannten Markennamen wie der Gastronomiekette L‘Osteria über klassische Mittelständler wie zum Beispiel einen Produzenten von Federn- und Drahtbiegeteile bis hin zu Wachstumsunternehmen wie die Graf Metternich-Quellen Karl Schöttker KG.

Luis Pazos: Wer gehört im Bereich potenzieller Unternehmenskunden zu Ihrer Zielgruppe? Wofür wird Kapital üblicherweise nachgefragt und verwendet?

Christopher Grätz: Voraussetzung für eine Finanzierung bei Kapilendo ist, dass die Unternehmen mindestens 3 Jahre am Markt sind und 300.000 Euro Umsatz machen. Es müssen in der Regel eine positive Eigenkapitalquote und ein positives Geschäftsergebnis vorliegen, damit ein Unternehmen eine Finanzierung auf dem Portal erhalten kann. Start-ups kommen für uns nicht in Frage. Der Finanzierungszweck ist vielfältig und reicht von Betriebsmittel über Wachstums- und Investitionsfinanzierung bis hin zu Produktivitätssteigerung. Wir verzeichnen eine hohe Nachfrage von Maschinen und Anlagenbauern und aus dem Gastronomie – und Technologiesektor wie auch aus den Bereichen Handel und Logistik. In allen Branchen besteht ein besonders hohes Interesse für Investitionen in Automatisierung und Digitalisierung.

Luis Pazos: Eine in der Regel positive Eigenkapitalquote? Bedeutet das etwa, dass es bisweilen auch Unternehmen mit negativer Eigenkapitalquote auf das Portal schaffen, Unternehmen also, die technisch bankrott sind? Und haben Investoren die Möglichkeiten, das Zahlenmaterial einzusehen?

Christopher Grätz: Grundsätzlich finanzieren wir nur Unternehmen mit positiven Eigenkapitalquoten. Bei Unternehmen mit starkem Wachstum und außergewöhnlichen Herausforderungen wie bspw. Übernahmen oder Restrukturierungen sind wir grundsätzlich bereit, auch hier, die Machtbarkeit einer Finanzierung zu prüfen. Wir prüfen auf Bankenniveau. Jeder Antrag durchläuft ein dreistufiges Modell, bestehend aus Qualifizierung, klassischer Kreditanalyse und Bewertung. Befinden wir das Unternehmen für gut, kommt es auf unsere Plattform. Dort geben wird den Anlegern die Möglichkeit die Jahresabschlüsse und alle wichtigen Informationen nachzulesen und einzusehen.

Luis Pazos: Und wen sprechen Sie als Investor an beziehungsweise wie sieht der typische „capital lender“ aus?

Christopher Grätz: Den einen typischen Anleger gibt es nicht. Auf unserer Plattform sind institutionelle Investoren ebenso aktiv wie Privatleute. Darunter ist der 18-Jährige, der in möglichst viele Projekte 100 Euro investiert ebenso wie die 95-Jährige. Im Durchschnitt werden pro Transaktion 1.000 bis 1.300 Euro investiert.

Luis Pazos: Ab welchem Betrag können Anleger über Kapilendo investieren und um was für eine Form der Anlage handelt es sich rechtlich betrachtet?

Christopher Grätz: Anleger können ab einem Betrag von 100 Euro bei Kapilendo investieren. Es handelt sich dabei um eine Vermögensanlage in Form von Teilkreditforderungen oder Teildarlehensforderungen.

Luis Pazos: In welcher Spanne bewegen sich üblicherweise die Laufzeiten der Investitionen und die zu erwartenden Renditen?

Christopher Grätz: Die durchschnittliche Laufzeit der Finanzierungsprojekte liegt bei 31 Monaten, der durchschnittliche Zins bei 6,88 Prozent. Die Ausschüttungsintervalle unterscheiden sich je nach Darlehen in jährliche, quartalsweise und endfällige Auszahlungen. Eine monatliche Ausschüttung ist bei uns nicht möglich.

Luis Pazos: Wie viele Finanzierungsanfragen erhalten Sie im Monat und wie viele davon schaffen es auf die Plattform?

Christopher Grätz: 2,7 Milliarden Euro groß war das angefragte Finanzierungsvolumen der letzten Jahre. Wir selektieren sehr gründlich. Zu beobachten ist, dass die einzeln angefragten Volumina deutlich steigen und zunehmend vor allem auch von großen Mittelständlern kommen. Hier erkennen wir eine sehr positive Entwicklung und wachsende Akzeptanz unseres Finanzierungsangebots.

Luis Pazos: Nach welchen Kriterien findet die Vorauswahl statt und wie lange dauert diese im Durchschnitt?

Christopher Grätz: Unser Ratingteam prüft die Unternehmen ausführlich auf Bankenniveau. Dabei bilden die Daten der Creditreform und der Schufa über das Unternehmen bei unserem Bewertungsprozess den Ausgangspunkt. Neben den wichtigen Finanzkennzahlen berücksichtigt das Team Kriterien wie Industrie, Branche, Marktposition und Marktentwicklung. Innerhalb von 48 Stunden erfährt das Unternehmen, ob wir eine Finanzierung umsetzen.

Luis Pazos: Was motiviert Unternehmen, ausgerechnet die Dienste von Kapilendo zu nutzen? Warum wenden sie sich nicht an ihre Hausbank, spezialisierte Unternehmensfinanzierer oder Großinvestoren? Oder anders gefragt: Wie verhindert kapitendo eine Negativauswahl, so dass Kleinanleger nicht befürchten müssen, „rasiert“ zu werden?

Christopher Grätz: Wir sind nicht disruptiv unterwegs. Unser Ziel ist es nicht, mit der Hausbank zu konkurrieren. Diese Verbindungen sind über viele Jahre gewachsen und haben ihre Berechtigung. Es geht ganz klar um ein ergänzendes Angebot, eine Erweiterung des Finanzierungsmix des Unternehmers und um weniger Abhängigkeit von nur einer Bank – hier liegt die Motivation für den Unternehmer. Auch der digitale Ablauf überzeugt unsere Unternehmer, nämlich ein modernes und zeitgemäßes Prozedere. Oftmals für die Unternehmen tatsächlich auch die erste Berührung mit dem Thema Digitalisierung, auch ein Anstoß für mögliche eigene digitale Neuerungen im Unternehmen – und sei es zunächst nur die Professionalisierung der eigenen Website.

Luis Pazos: Wie viel Unternehmen beziehungsweise Projekte konnten bisher durch Kapilendo mit Risikokapital ausgestattet werden?

Christopher Grätz: Kapilendo ist seit Mitte 2015 am Markt aktiv. Mittlerweile haben wir über die Plattform knapp 40 Millionen Euro finanziert, das entspricht rund 130 Projekten.

Luis Pazos: Und in wie vielen Fällen ist das Risiko schlagend geworden, sprich, wie oft ist es bisher aus Investorensicht zu einer Leistungsstörung, einem Teil- sowie einem Totalausfall gekommen?

Christopher Grätz: 21 Projekte wurden bis jetzt vollständig getilgt. Über 5 Millionen Euro Investorenkapital sind dabei wieder an die Anleger zurückgeflossen. 1 Million Euro an Zinsen haben die Unternehmen an die Investoren ausgeschüttet. Ein Totalverlust kam bisher nicht vor. Bei sieben Projekten kam es zu Ausfällen oder Zahlungsstörungen. Allerdings hat unser sehr erfahrenes Forderungsmanagement-Team Teilrückzahlungen und in einem Fall die gesamte Rückzahlung an die Anleger erwirkt.

Luis Pazos: Werden denn jenseits der Risikoprüfung im Vorfeld seitens Kapilendo weitere Maßnahmen ergriffen, um die Forderungen zu besichern beispielsweise durch die Stellung von Grundschulden oder Bürgschaften?

Christopher Grätz: Über unsere Plattform kann der Anleger aus dem ganzen Spektrum, von Wachstumsfinanzierungen bis hin zu den ganz klassischen Krediten, die gleichrangig zu Bankkrediten sind, wählen. Die klassischen Kredite sind dabei immer mit selbstschuldnerischen Bürgschaften besichert. Das heißt, der Geschäftsführer oder der führende Gesellschafter gibt eine Bürgschaft über 120 Prozent des Kreditbetrags ab, sodass letztendlich selbst zusätzliche Kosten, z.B. Rechtskosten, mit der Bürgschaft abgedeckt sein sollten. Der qualifizierte Nachrang hingegen ist immer komplett unbesichert. Im Fall einer Insolvenz oder von Schwierigkeiten im Unternehmen steht der Anleger hier weiter hinten in der Rangfolge. Zuerst wird der Bankkredit bedient, danach das Nachrangdarlehen und dann das Eigenkapital. Für die höhere Risikoposition bekommt der Anleger einen entsprechend attraktiven Zins von 6 bis 10 Prozent. Ein Beispiel: Ein Bankkredit zur Eröffnung eines Restaurants für den Systemgastronomen L‘Osteria war an die Bedingung von 500.000 Euro Eigenkapital geknüpft. Der Unternehmer konnte hier selbst direkt 250.000 beisteuern, die restlichen 250.000 Euro finanzierte er als Nachrangkapital über unsere Plattform. Der Anleger erhält dadurch also selbst bei attraktiven und bonitätsstarken Unternehmen die Möglichkeit hohe Renditen zu erzielen. Tatsächlich ist der Prüfungsprozess dabei sogar deutlich höher und dauert deutlich länger als beim klassischen Kredit. Je höher der Zins desto höher zwar das theoretische Risiko, aber eben nicht desto schlechter die Bonität.

Christopher Grätz (Geschäftsführer Kapilendo)
Mein Gesprächspartner Christopher Grätz, Bildquelle: Kapilendo

Ergänzungen und Fazit

Kapilendo hat sich über die vergangenen Jahre erfolgreich als heimische P2B-Plattform (Person-to-Business-Plattform) positioniert, die es durchaus mit den baltischen Platzhirschen aufnehmen kann. Mehrere Erfahrungsberichte zum Anbieter können übrigens auf dem Finanzportal Kritische Anleger nachgelesen werden. Mit 6 bis 10 Prozent Zinsen pro Jahr und zum Teil unterjährigen Ausschüttungen sind die Finanzierungsprojekte eine Alternative zu klassischen Hochdividendenwerten. Anleger verzichten dabei zwar auf die Liquidität der Börse, dafür entfallen allerdings auch Wechselkursschwankungen und regulatorische Hürden wie MiFID II.

Aus diesem Grund eignen sich Beteiligungen vor allem für Einkommensinvestoren, die zumindest einen Teil ihrer risikobehafteten Geldanlage im Inland investiert wissen wollen. Das Wort „risikobehaftet“ kann dabei nicht stark genug betont werden. Die Darlehen sind wie dargelegt lediglich schwach oder gar nicht besichert, das Ausfallrisiko der Vorauswahl und des Forderungsmanagements zum Trotz hoch. Anleger sollten daher ihre beabsichtigte Gesamtinvestitionssumme unbedingt über eine Vielzahl von Projekten streuen, was zeitlich gestreckt erfolgen muss. Aktuell sind zwei Anlageprojekte offen. Mit einem Klick auf das nachfolgende Banner (*) geht es zur Übersicht und Anmeldung:

Banner von Kapilendo

Übrigens ist Kapilendo als weiterhin aufstrebendes Fintech auch als Arbeitgeber interessant, zumindest für wechselwillige Arbeitnehmer, die ein wenig Hauptstadtluft schnuppern wollen. Aktuell hat das Unternehmen auf seinem Stellenportal zahlreiche Positionen in verschiedenen Bereichen ausgeschrieben.

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PS: Kennen Sie weitere innovative und interessante Finanzdienstleister, die ich zu ihren Angeboten befragen soll? Schreiben Sie mir Ihre Vorschläge – mit oder ohne E-Mail-Kontakt!

    3 Antworten auf „Geldgespräch – Christopher Grätz von Kapilendo“

    1. Kapilendo hat seine Kreditnehmer nicht im Griff. Ganz aktuell weitere Pleite Fa. Vonmählen welche sich mal bös mit dubiosen Nebengeschäften fernab vom Kerngeschäft verspekuliert hat. Über ne Million is futsch, nach erster Tilgungsrate insolvent. Banken fordern Geld ein, nachrangiger Crowdinvestor geht vermutlich leer aus.
      Glücksritter finanzieren? Nein Danke, dann lieber Lotto spielen.

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