Von Herwig Birg, 34,90 Euro, 256 Seiten, LIT Verlag 2015
Aus demographischen Problemen Chancen herbeizuhalluzinieren gehört zum gegenwärtigen Spiel auf der tagespolitischen Klaviatur. „Nach dieser Logik“, so Herwig Birg, Emeritus der Universität Bielefeld, „war das Flächenbombardement deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg keine Katastrophe, sondern eine ‚Chance‘ für den Wiederaufbau.“ Die Essenz seines Forscherlebens hat der profilierte Kenner der Materie, der zwischen 1981 und 2004 einen von bundesweit lediglich drei Lehrstühlen für Bevölkerungswissenschaften innehatte, in der vorliegenden Publikation populärwissenschaftlich aufbereitet.
Ganz in Gegensatz zu Frank Schirrmachers Bestseller „Der Methusalem-Komplott“ (*), der die Steigerung der Lebenserwartung als Hauptgrund für die Alterung der Gesellschaft ausmacht, analysiert hier ein Zerstörer liebgewonnener Wohlfühlmythen akribisch die drei Hauptfaktoren des demographischen Wandels: Fertilität, Mortalität und Migration, wobei ersterer die weitaus größte Bedeutung bei gleichzeitig geringster Beachtung zukommt.
Treibende Kraft ist keineswegs die seit Jahrzehnten konstante Geburtenrate bei demjenigen Bevölkerungsanteil, der Kinder hat, sondern der extrem hohe und weiter wachsende Anteil der Menschen ohne Nachwuchs. So „ignoriert die Bundesrepublik Deutschland die am genauesten prognostizierte Krise ihrer Geschichte“, welche, daran lässt der Autor wenig Zweifel, durch die Zuwanderungspolitik entschieden verschärft wird. Die auf Jahrzehnte unumkehrbaren Trends sieht Birg resignierend in einer durch Alterung, Schrumpfung und Internationalisierung gespaltene Multiminoritätengesellschaft einschließlich des breitenwirksamen Verlustes wichtiger soziokultureller Werte münden. Angesichts dieser Gemengelage ist die Suche nach der politisch propagierten „demographiefesten“ so vergeblich wie die nach einer „mathematikfesten“ Gesellschaft.
Neben der Vielzahl von Einzelanalysen von enormer Tragweite besticht „Die alternde Republik“ vor allem durch die Fülle des statistischen Materials und der ausführlich erläuterte Messverfahren und Instrumente. Auf den ersten Blick mag das Buch keinen Bezug zu den internationalen Finanzmärkten haben. Diese werden auch tatsächlich mit keiner Silbe erwähnt. Nichts desto trotz erachte ich die Beschäftigung mit der Demographie für jeden langfristig agierenden Kapitalanleger als unverzichtbar. Warum das so ist werde ich in einem separaten Beitrag ausführlich darlegen, einstweilen empfehle ich Birgs Publikation als gelungenes Grundlagenwerk zum Thema.
PS: Gibt es noch weitere Bücher zum Thema, die sich für die Leser des Blogs zu rezensieren lohnt? Schreiben Sie mir Ihre Vorschläge – mit oder ohne E-Mail-Kontakt!
2 Antworten auf „Kurzrezension – Die alternde Republik und das Versagen der Politik: Eine demographische Prognose“