Rezension – Kapitalfehler: Wie unser Wohlstand vernichtet wird und warum wir ein neues Wirtschaftsdenken brauchen

Von Matthias Weik und Marc Friedrich, 352 Seiten, 19,99 Euro, Eichborn Verlag 2016

Nicht nur ausgewiesene Filmfreunde kennen das Damoklesschwert, welches über den Sequels einer dank Zuschauergunst überraschend zum Blockbuster avancierten Produktion schwebt. Dem frischen und innovativen, den Zeitgeist treffenden Ansatz des Originals folgt in der Regel bestenfalls ein solider zweiter und mäßiger dritter Teil.

Titelbild von Kapitalfehler

Dass dieses Phänomen indes auch vor Sachbüchern nicht Halt macht beweisen die beiden spätestens seit 2012 einem breiten Publikum bekannt gewordenen Autoren mit vorliegendem Werk, was sich nicht zuletzt auch an der Quantität der Kundenrezensionen auf Amazon ablesen lässt. Mit „Der größte Raubzug der Geschichte“ (*) konnten sie ihre fulminanten Qualitäten als Chronisten einer Ära, deren minutiöse Protokollierung für kommende Generationen zu konservieren lohnt, unter Beweis stellen. Diese wurden durch den 2014 publizierten Nachfolger „Der Crash ist die Lösung“ (*) zumindest nicht in Frage gestellt.

Zwischen Wilhelm Röpke und Naomi Klein

Bedauerlicherweise haben sie sich in ihrer dritten gemeinsamen Arbeit die „Argumente von Kritikern zu Herzen“ genommen, die ihnen „einen Hang zu tagesaktueller Faktensammelwut und oberflächlicher Krisendiagnose, im Gegenzug einen Mangel an vertiefender Krisenanalyse vorgeworfen haben“ und somit gerade ihr größte Stärke aus der Hand geben. In insgesamt sieben Kapiteln (und einem Intermezzo) arbeiten Sie sich an so unterschiedlichen Themen wie beispielsweise dem Bankensektor und Finanzsystem, der Konjunkturforschung und Wirtschaftsgeschichte sowie der Bedeutung von Rohstoffen und der Geldtheorie ab.

Trotz zahlreicher interessanter Fakten und so mancher luzider Geistesblitze mangelt es an einem roten Faden und bisweilen ausgerechnet an der beschworenen Tiefe sowie Klarheit. So werden Begriffe unscharf und teils widersprüchlich verwendet. Spätestens bei ihren Kernelementen neuen Wirtschaftsdenkens erweisen sich die Autoren als abgespeckte Dritte-Weg-Apologeten, eine Mischung aus Wilhelm Röpke und Naomi Klein. Wer einen Weik und Friedrich lesen möchte, der sollte lieber zum nach wie vor uneingeschränkt empfehlenswerten Erstling greifen, zumal dieser als Taschenbuch (*) für unter zehn Euro zu haben ist.

Vom Bestseller zum Wertefonds

Nichts desto trotz hat es „Kapitalfehler: Wie unser Wohlstand vernichtet wird und warum wir ein neues Wirtschaftsdenken brauchen“ (*) wie seine beiden Vorgänger auf die SPIEGEL-Bestsellerliste geschafft. Von daher kann es kaum verwundern, dass die beiden Autoren der Monetarisierung ihrer Popularität auch auf anderem Terrain Ausdruck zu verleihen suchen. Seit dem 02. Januar 2017 stehen sie namentlich und konzeptionell Pate für den Friedrich & Weik Wertefonds, ein „vollkommen transparent agierender Fonds, der sich an ethische und moralische Standards hält – also z. B. weder in Hersteller geächteter Waffen investiert noch mit Nahrungsmitteln spekuliert. Ein Fonds, der verständlich darlegt in was er investiert und in was nicht, an dem sich jeder auch mit niedrigen Beträgen beteiligen kann, in dem ausgewiesene Experten jede einzelne Anlageklasse betreuen, der en detail veröffentlicht was gekauft und verkauft wurde, der auf täglicher Basis handelbar ist und der eine faire Kostenstruktur hat.“

Das Vorhaben ist freilich legitim, der Anspruch gleichwohl überambitioniert, sofern sich Interessenten die Mühe machen, das Fondskonstrukt einer Prüfung zu unterziehen. Zum einen kollidiert die Anlagepolitik, konkret die angestrebte Aktienquote, mit den literarisch verbreiteten Kassandrarufen der beiden Namensgeber. Qualität hin oder her – im Crash gehen de facto alle Aktienkurse in die Knie, wie ja gerade die vom Autorenduo dreifach akribisch untersuchte Finanzkrise demonstriert hat.

Eigenwillige Standards

Auch das demonstrative Einstehen für „Werte wie Moral, Anstand und Ethik“ verkommt schnell zur Marketinghülse. Als hoch gehandelte Finanzökonomen wissen Weik und Friedrich natürlich auch, dass Bestandsaktien losgelöst vom operativen Geschäft des Emittenten ge- und verkauft werden, entsprechende Investitionen sich also einer unmittelbaren moralischen Beurteilung entziehen. Unabhängig davon scheint der Erwerb von Minenwerte und Diamanten wiederum mit den ethischen Standards des Fonds voll kompatibel zu sein. Auch bezüglich der Spekulation mit Nahrungsmitteln scheint den zur „Expertenelite in Deutschland“ (Sachwertmagazin 1/2017) gehörenden Initiatoren der aktuelle Stand der Wissenschaft entgangen zu sein – zumal auch die beabsichtigte Bewirtschaftung von Ackerflächen notwendigerweise die Spekulation mit Nahrungsmitteln nach sich zieht.

Der Preis der Angst

Eindeutig zu weit haben sich Weik und Friedrich allerdings mit der propagierten „fairen Kostenstruktur“ aus dem Fenster gelehnt: Allein drei Prozent Ausgabeaufschlag zahlen Privatanleger einmalig, hinzu kommen jährlich 1,6 Prozent Verwaltungsgebühr sowie ein erfolgsabhängige Vergütung von 7,5 Prozent der über die Benchmark hinausgehenden Wertentwicklung. Das ist für einen aktiv verwalteten Publikumsmischfonds bereits äußerst üppig. Als Benchmark wird übrigens die deutsche Inflationsrate, genauer der harmonisierte Verbraucherpreisindex, zuzüglich drei Prozentpunkte herangezogen. Kein besonders ambitioniertes Ziel angesichts einer Nominalrendite deutscher Aktien von 9,2 Prozent pro Jahr zwischen 1975 und 2010 – von den real verbliebenen 6,6 Prozent hätte sich der Fonds also in dieser Rückrechnung jährlich 0,27 Prozentpunkte genehmigt.

Verwässert werden dürfte die potenzielle Rendite zudem durch „die in der Praxis konkret angestrebte [Cash-]Quote [von] ca. 20 Prozent“ sowie die erfahrungsgemäß wenig liquiden Märkte respektive hohen Transaktionskosten für Sachwerte „wie physisches Silber, Immobilien, Wald, Ackerland sowie Anlagediamanten“, in die „mit steigendem Fondsvolumen“ investiert werden soll. In Summe bezahlten Anleger für die Kompensation ihrer finanziellen Ängste einen im wahrsten Sinne des Wortes hohen, vermutlich übermäßig hohen Preis.

Fazit zu Buch und Fond

Zugute zu halten ist den Initiatoren allerdings, dass alle Fakten für jeden Lesewilligen offen kommuniziert werden. Nichts desto Trotz steht zu befürchten, dass dem „Kapitalfehler“ ein kapitaler Fehler der Autoren folgt – die Wahrheit wird jedoch wie immer in der Performance liegen.

PS: Gibt es noch weitere Bücher zum Thema, die sich für die Leser des Blogs zu rezensieren lohnt? Schreiben Sie mir Ihre Vorschläge – mit oder ohne E-Mail-Kontakt!

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