Inhalt
Von Florian Homm, 208 Seiten, 14,99 Euro, FinanzBuch Verlag 2017
Im Sommer 2016 hatte ich die Gelegenheit, Florian Homm im Rahmen der Hamburger Mark Banco Anlegertagung persönlich kennen zu lernen und mich einige Minuten mit der wohl schillerndsten Figur der deutschen Finanzszene zu unterhalten. Abgesehen von seiner imposanten Statur, Homm ist über zwei Meter hoch, umgibt den Mann eine faszinierende Aura, die sich nicht zuletzt aus der Zwiespältigkeit speist, die der einstige Hedgefondsmanager und heutige Marienverehrer in vielerlei Hinsicht ausstrahlt.
Der schillernde Crashprophet
Zwiespältig dürfte auch sein neues Buch aufgenommen werden, welches zum Jahreswechsel neu aufgelegt wurde. Mit diesem reiht sich Homm einmal mehr in die Riege der Crashpropheten ein. Konkret erwartet er zwischen 2017 und 2019 einen Börsencrash, bei dem 90 Prozent aller Anleger deutliche Verluste erleiden werden. Danach hält er das japanische Szenario einer deflationären Stagnation mit mehreren verlorenen Dekaden (Stichwort: Ushinawareta Nijūnen) für durchaus wahrscheinlich. Bei der Gemengelage, so Homm, hätten sich auch klassische Investmentansätze wie die Buy-and-Hold-Strategie überlebt. Sein Vorschlag: Sich „Long/Short“ zu positionieren, bevor die „Börsen wackeln“, also „Perlen kaufen und Schrott shorten“ – ein klassischer Total-Return-Ansatz eben.
Hierzu möchte Homm mit „Erfolg im Crash“ (*) den Lesern eine Blaupause vermitteln. Gegliedert hat er sein Buch dazu in drei etwa gleichgewichtete Teile: Eine Analyse, mögliche Investmentstrategien sowie konkrete Anlageideen.
Die „Flutung“ der Märkte
Dreh- und Angelpunkt des Analyseteils sind die starken monetären Impulse, die von den Zentralbanken der westlichen Welt seit einigen Jahren ausgehen und die Fallhöhe aller Finanzanlagen massiv nach oben geschraubt haben. Haben besagte Zentralbanken vor zehn Jahren, also inmitten der Weltfinanzkrise, noch 120 Milliarden US-Dollar frische Liquidität pro Monat erzeugt, liegt der Wert aktuell bei knapp 200 Milliarden.
Erste Folge: Ende 2017 entsprach die Verschuldung der Zentralbanken 40 Prozent der gesamten Weltwirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Historisch (seit 1913) belief sich die Relation in der Regel auf unter 3 Prozent! Zweite Folge: Korrelierten die Börsen früher typischerweise mit der Industrieproduktion, den Kapitalgüteraufträgen und den Unternehmensgewinnen, hat sich dieser Zusammenhang seit 2015 verflüchtigt. Die heutige Hausse geht demnach, so die These des Autors, im Wesentlichen auf das Wachstum der Geldmenge zurück. Geht das Wachstum zurück oder wird gar negativ, „wird dem Investment-Junkie das Heroin gekürzt“, sollten auch die Kurse auf Talfahrt gehen.
Investmentjunkies auf kaltem Entzug
Dafür, dass der Beginn des kalten Entzugs nicht mehr allzu lange auf sich warten wird, zieht Homm eine Fülle von Kennzahlen und Indikatoren heran. Tatsächlich ist die Dividendenrendite historisch betrachtet mit Ausnahme der Jahre 1999/2000 so niedrig wie nie. Zudem sind Nebenwerte, also Aktien mit niedriger Marktkapitalisierung, zuletzt stark gestiegen, was traditionell ein sicheres Indiz dafür ist, dass die Risikobereitschaft am Markt ihren Zenit erreicht hat. Auch den durchaus interessanten Wolkenkratzer-Index zieht Homm heran, um seine These zu untermauern. Aktuell lässt das saudi-arabische Königshaus den über 1.000 Meter hohen Jeddah Tower in der gleichnamigen Stadt hochziehen, obgleich das Land „auf dem besten Weg in die Pleite ist.“ Geplanter Fertigstellungstermin: 2019 – mal wieder inmitten einer Krise?
Dafür spricht nach Ansicht des Autors eine Parallele zur Dotcom-Blase: Was einst das Akronym CIMA (Cisco, Intel, Microsoft, America Online) repräsentierte, drückt heute FANG (Facebook, Amazon, Netflix, Goolge) aus. Zuzüglich Apple und Microsoft machen die FANG-Papiere einen erheblichen Anteil an der Gesamtentwicklung des S&P 500 und des NASDAQ aus. „Tatsächlich wäre die Performance der beiden Indizes [seit Ende 2016] ohne diese sechs Börsen-Superstars gesunken!“ Dafür korreliert die Kursentwicklung der FANG-Aktien fast perfekt mit der Bilanzsumme der G3-Zentralbanken (Nordamerika, Eurozone, Japan).
Und auch den guten alten Warren Buffett führt Homm ins Feld. Dieser hält aktuell mehr als 40 Prozent seines Anlagevolumens in Bargeld, während der nach ihm benannte Indikator (Kapitalisierung US-Aktienmarkt geteilt durch die US-amerikanische Wirtschaftsleistung) bei 137 Prozent notiert. Das ist der zweithöchste Stand seit Beginn der Berechnung im Jahr 1950, nur Ende 1999 stand die Kennzahl mit 151 Prozent noch höher.
Wertschöpfer und Wertzerstörer
Was setzt Homm diesem ernüchternden, wenngleich dem Bestätigungsfehler unterliegenden Befund entgegen? Nach einem kurzen Ausführung zum Timing und zur technischen Analyse erörtert Homm zunächst, was in dem von ihm skizzierten Szenario nicht geht: Long-Positionen, also Aktien und Aktienfonds, ohne Absicherung, Anleihen, Mischfonds, Immobilien und Kapitalversicherungen. Seine Favoriten sind Edelmetalle, marktneutrale Fonds, Liquidität in „sicheren“ Währungen und Qualitätsaktien sowie inverse Exchange Traded Funds (ETFs), Optionen, Futures und Leerverkäufe. Sein Credo: Günstige Wertschöpfer kaufen, teure Wertzerstörer verkaufen. Mit welchen konkreten Wertpapieren dies umzusetzen ist verrät Homm im dritten Teil. Dieser ist insofern ungewöhnlich für einen Ratgeber, als das komplette Musterportfolios vorgestellt werden. Diese umfassen Angaben zu konkreten Long- und Shortpositionen mit Namen und Wertpapierkennnummern sowie dem jeweiligen Anteil am Gesamtportfolio.
Zusammenfassung und Fazit
Wie fällt der Inhalt des Buches in der Gesamtbetrachtung aus? Rollen wir das Feld von hinten auf. Das Homm bei der Vorstellung von Anlageideen Ross und Reiter nennt ist durchaus löblich und im deutschen Sprachraum so vermutlich einzigartig. In wie weit diese, insbesondere die Shortpositionen, durch Privatinvestoren umgesetzt werden können und sollten ist hingegen fraglich – gleiches gilt naturgemäß für die Halbwertzeit des Depots. Während der Verlust bei (bestimmten) Optionen und inversen ETFs auf den Einsatz beschränkt ist, kennt dieser bei Futures und Leerverkäufen prinzipiell kein Limit. Das hat schon so manchen das letzte Hemd gekostet, besonders bei Wetten gegen die Zentralbank.
Bei den im zweiten Teil vorgestellten Instrumenten bleibt es dagegen allein aus Platzgründen bei einer oberflächlichen Betrachtung, die eher an Einsteiger adressiert ist. Als besonders gelungen darf hingegen der erste Teil gelten. Allein die Daten- und Indikatorenfülle gereicht jedem Zahlenfreund zur Freude und lohnt den Kauf des Buchs, die Zusammenstellung schärft allemal den Blick aus der Kassandra-Perspektive. Ich bin schon gespannt darauf, diesen in einigen Jahren noch einmal zu lesen.
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PS: Gibt es noch weitere Bücher zum Thema, die sich für die Leser des Blogs zu rezensieren lohnt? Schreiben Sie mir Ihre Vorschläge – mit oder ohne E-Mail-Kontakt!
Hi, danke für die Rezension. Mich würde interessieren, wie überzeugend du seine Crash-Prophezeihungen fandest. Eher aus privaten gründen – (mit einer Hochzeit demnächst weiß ich nicht, welche Ausgaben auf uns genau zukommen) – aber sicherlich auch aus crashangst zögere ich derzeit neues Geld zu investieren. Dabei frage ich mich, ob das sinnvoll ist. Neben den genannten Indikatoren gibt es ja auch Indikatoren, die gegenteiliges schließen lassen. Logisch, wenn nicht wäre der Crash ja auch schon dar.
Hallo Bräutigam,
meine ganz persönliche Meinung: Aus Crashangst Geld nicht zu investieren, was man eigentlich investieren kann und möchte ist keine gute Idee. Warum? Ich habe Börsenliteratur aus den 1980er, 1990er, 2000er und 2010er – und überall lauerten die Crashpropheten (oder auch „Kassandras“). Wenn ich auf deren Warnungen gehört hätte, hätte ich nie investiert. Und ganz wichtig: Es gibt keine historischen Gesetzmäßigkeiten! Du hast ja Recht: Es gibt immer Pro- und Kontra-Indikatoren. Und gerade für Einkommensinvestoren ist das „Timing“ nebensächlich. Und zum Thema Crashpropheten werden ich mal einen gesonderten Blogbeitrag schreiben. Jetzt erst einmal viel Erfolg bei den Hochzeitsvorbereitungen!
Beste Grüße
Luis
Hi Luis, machst du jetzt konkret etwas anders in deinem Depot?
LG Joerg
Hallo Jörg,
danke für die Frage. Um das ganz klar zu sagen: Das war eine Buchvorstellung. Ich habe den Inhalt in keiner Weise zum Anlass genommen, meine regelgebundene Strategie zu modifizieren (siehe auch meinen Kommentar weiter oben)! Die Vermögensallokation bleibt bei mir wie gehabt. Nichts desto trotz finde ich es interessant, durch die Brille anderer Personen zu blicken.
Beste Grüße
Luis
Ich habe mir das Buch gekauft und gelesen. FH schreibt auch „Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Regierungen zunehmend an Ihrem Vermögen vergreifen werden.“
Und „[…] dann kann ich Ihnen nur empfehlen, einen erheblichen Teil Ihres Vermögens außerhalb der EU zu halten. Das gilt für Wertpapiere, Immobilien und andere Sachwerte.“
Ich denke nun tatsächlich darüber nach, ein Depot in der Schweiz zu eröffnen. (Ich bin Deutscher und lebe in Deutschland.)
Ich müsste allerdings noch recherchieren, wie das funktioniert und welche Bank bzw welcher Broker für mich geeignet wäre. Ich bin auch unsicher, ob das wirklich sinnvoll und angemessen ist.
In Deutschland bin ich bei comdirect. Etwas vergleichbares würde mir auch für die Schweiz vorschweben. Hat da jemand Erfahrungen oder Tipps?
Eine ausländischen Bankverbindung einzurichten ist vollkommen in Ordnung – auch außerhalb der EU. Institute, die ähnlich wie die Comdirect aufgestellt sind – also Discountbroker – gibt es in zahlreichen Ländern.
In der Schweiz ist der Marktführer die Swissquote. Die Konto- und Depoteröffnung erfolgt ganz einfach per Post, Zahlungsverkehr und Börsenaufträge über das Netz.
Eine Alternative ist Interactive Brokers aus den USA. Vertrieben wird die Marke hier in Deutschland zum Beispiel über CapTrader. Für diesen Anbieter habe ich die Depoteröffnung sogar Schritt für Schritt beschrieben.
Weitere Informationen: https://nurbaresistwahres.de/depotbanken/
Vielen Dank, Luis! Da bin ich bei dir im Blog ja genau richtig gelandet. Ich schaue mir diese Angebote mal genauer an.
Grüße, Gary
Gerne – und wenn Du noch eine Frage haben solltest melde Dich einfach. In der Leserschaft haben wir so ziemlich alle gängigen Banken- und Brokererfahrungen vertreten!
Wenn Du noch ein wenig mehr ins Detail gehen möchtest kannst Du auch meine Blogbeiträge hierzu lesen, da ist der eine oder andere Hinweis mit bei: https://nurbaresistwahres.de/tag/depotbank/
Viel Erfolg und beste Grüße
Luis