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Einstieg und Überblick
Im 99. Blogtelegramm hatte ich geschrieben, dass der Start der Fußballweltmeisterschaft für mich allemal Grund genug ist, das „Großereignis mit dem Investitionsspektrum der Hochdividendenwerte zu verknüpfen. Und tatsächlich gibt es einen börsennotierten ‚Klassiker‘, der die Sphäre des Sports mit der ausschüttungsorientierten Geldanlage kombiniert. Ich werde den Titel noch während der laufenden Weltmeisterschaft im Blog besprechen.“ Nun, hier ist das in vielerlei Hinsicht sehr spezielle Wertpapier: Die Organisation für Prognosen von Fußballspielen (OPAP).
Um es vorwegzunehmen: Ja, das Unternehmen heißt tatsächlich so. Zumindest, wenn die griechische Originalschreibweise Οργανισμός Προγνωστικών Αγώνων Ποδοσφαίρου wörtlich korrekt ins Deutsche übersetzt wurde. Eventuell habe ich ja einen Leser aus Hellas, der das so bestätigen kann. Falls die Übersetzung stimmt, ist der Name bei OPAP tatsächlich Programm. Das Unternehmen ist einer der größten Wett- und Lotterieanbieter Europas, der dank Monopolstellung mit einem zuverlässigen Zahlungsstrom kalkulieren kann. Dafür sorgen schon Millionen von Griechen, bei denen wie auch in anderen Mittelmeeranrainerstaaten das Wetten tief in der Alltagskultur verankert ist.
Das besondere an der bördennotierten OPAP ist ferner die Dividendenkultur und Auschschüttungsfrequenz. Beides klassifiziert die Aktie als Hochdividendenwert; eine seltene Spezies in Kontinentaleuropa. Allemal ein Grund, das Wertpapier aus dem Land des Fußballeuropmeisters von 2004 einem Cashtest zu unterziehen.
Historie und Kennzahlen
Mit dem Londoner Protokoll von 1830 beginnt die Geschichte des modernen Griechenlands. Und mit ihr die Geschichte prekärer griechischer Staatsfinanzen. Im Jahr 1901 resümierte der US-Ökonom Henry Parker Willis: „In keinem Fall ist Griechenland ein wünschenswertes Mitglied der Währungsunion. […] Das Land ist in einem bemitleidenswerten Zustand: Wirtschaftlich unseriös, von politischen Streitereien gelähmt und finanziell verrottet.” Die Aussage bezog sich seinerzeit auf die Mitgliedschaft des Landes in der Lateinischen Münzunion, die 1926 zerbarst.
Bis 1958 hatte sich die Lage nicht wesentlich gebessert. Linderung versprach sich die damalige griechische Regierung von der besagten Wettleidenschaft und gründete eine staatliche Lotteriegesellschaft – natürlich versehen mit einem landesweiten Monopol. Im Grund genommen ein genialer Schachzug: Anstatt die ungeliebten Steuern zu erhöhen und durch eine ineffiziente Verwaltung eintreiben zu lassen sorgte die Regierung dafür, dass die Griechen einen Teil ihres Geldes dem Fiskus geradezu aufdrängten – dem kleinen Traum vom großen Glück sei Dank!
Erst 43 Jahre später, im Jahr 2001, wurde OPAP in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und an der Athener Börse (HELEX) notiert. Mit etwa einem Drittel der Anteile blieb die griechische Regierung größter Eigentümer des Unternehmens. Es kann trefflich darüber spekuliert werden, ob die gewieften Griechen die Spitze der Dotcom-Blase genutzt haben, um groß Kasse zu machen. Dies wäre allerdings eher untypisch. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass mit dem Teilverkauf die horrende Staatsverschuldung, die im Jahr 2000 bereits bei 104,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts lag, zumindest gebremst werden sollte. Der Beitritt Griechenlands zum Eurosystem erfolgte ebenfalls im Jahr 2001.
Bemerkenswert ist ferner, dass der griechische Staat seine Beteiligung an OPAP auch nach Ausbruch der Staatsschuldenkrise im Jahr 2010 nicht sofort liquidierte. Das lag vermutlich auch daran, dass OPAP auf Geheiß des stets klammen Hauptaktionärs merhmals im Jahr üppige Dividenden auszahlte, was sich das Unternehmen allerdings auch leisten konnte. Erst im Jahr 2013, nachdem die ersten Notbürgschaften und Kreditpakete vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union (EU) gewährt worden waren, wurde die Beteiligung an OPAP verkauft.
Das Paket ging für 712 Millionen Euro an die tschechisch-griechische Beteiligungsgesellschaft Emma Delta, die vom tschechischen Untenehmer Jiri Smejc und vom griechischen Reeder Dimitris Melissanidis kontrolliert wird. Letzterer hat im selben Jahr praktischerweise auch gleich den griechischen Fußballverein AEK Athen gekauft. Erfreulicherweise hat die Emma Delta bisher nicht darauf hingewirkt, die Ausschüttungspolitik zu ändern, so dass nach wie vor alle OPAP-Aktionäre in den Genuß einer vergleichsweise hohen Dividendenrendite kommen. Dies freilich auch, um ihr investiertes Kapital in überschaubarer Zeit wieder aus dem Unternehmen zu ziehen.
Die aktuelle Marktkapitalisierung von OPAP beläuft sich auf gut drei Milliarden Euro. Bei 319 Millionen Aktien entspricht dies einem Kurs von etwa 9,60 Euro je Aktie. Die Bilanzsumme beläuft sich Ende 2017 auf knapp 1,8 Milliarden Euro, der Umsatz liegt mit gut 1,4 Milliarden Euro nur knapp drunter. Der im Vergleich zum Substanzwert fast doppelt so hohe Marktwert legt nah, dass hierbei vor allem das Ertragspotenzial als Maßstab herangezogen wird.
Auf was gründet sich dieses Potenzial? Zum einen auf die Vertriebskraft von über 4.000 Verkaufsstellen, die exklusiv Angebote von OPAP vertreiben und faktisch in ganz Griechenland zu finden sind. Die Betreiber dieser Wettbüros sind übrigens Franchisenehmer und werden entsprechend des Umsatzes vergütet. Hinzu kommen weitere knapp 4.000 nichtexklusive Verkaufsstellen wie Kioske, Einzelhändler oder Tankstellen, die vor allem Lotterielose von OPAP verkaufen. Zum Offline- gesellt sich ein mittlerweile stark an Bedeutung gewonnenes Onlinegeschäft.
Organisiert ist OPAP als Holding mit elf überwiegend 100-prozentigen Tochterunternehmen, die jeweils verschiedene Glücksspielsegmente wie Sport- und Pferdewetten sowie Lotterien beziehungsweise verschiedene Mäkte bedienen. Neben Griechenland ist OPAP auch auf Zypern aktiv, weitere Länder sollen vor allem über das Onlineangebot angebunden werden. Aktuell beschäftigt die Unternehmensgruppe knapp 400 Mitarbeiter.
Konditionen und Besteuerung
OPAP ist eine Aktie und wird als solche nicht von der MiFID-II-Richtlinie erfasst. Damit sollte das Papier über jeden inländischen Broker handelbar sein. Wenn nicht an der Originalbörse in Athen dann zumindest über die Deutsche Börse in Frankfurt oder eine der deutschen Regionalbörsen (Stuttgart, Berlin, Düsseldorf, München) beziehungsweise über die US-amerikanische NASDAQ, wo OPAP jeweils über eine Zweitnotiz verfügt. Wie immer empfehle ich, sofern möglich, grundsätzlich den Handel an der Heimatbörse. Mehr als die Handels- und gegebenenfalls Depotgebühren fallen an periodischen Kosten aus Anlegersicht nicht an, da es sich um eine Aktie und keinen Fonds handelt – selbstverständlich muss die Gesellschaft wie jedes andere Unternehmen die Kosten des operativen Geschäfts stemmen.
Werfen wir einen Blick in die letzte Bilanz mit Stichtag 31. Dezember 2017. Die Bilanzsumme beträgt wie oben erwähnt knapp 1,8 Milliarden Euro und setzt sich aus etwa 800 Millionen Euro Eigen- und etwa eienr Milliarde Euro Fremdkapital zusammen. Letzteres umfasst 650 Millionen Euro langfristige Kredite, der Rest sind durchlaufende Posten wie Lieferantenrechnungen, Provisionen, Steuern etc. Diese kurzfristigen Verbindlichkeiten sind erfreulicherweise durch die liquiden Mittel des Unternehmens voll gedeckt.
Erfreulich ist auch, dass OPAP in den letzten zwölf Jahren (weiter zurück geht die Finanzberichterstattung nicht) durchgängig schwarze Zahlen geschrieben hat, selbst auf dem Höhepunkt der nach wie vor schwelenden griechischen Staatsschuldenkrise. In dieser Zeit musste das Unternehmen zwar rückläufige Gewinne verzeichnen, aber eben keine Verluste. Auch reichte der Geldfluss, um jedes Jahr Dividenden auszuschütten. In den Jahren 2011 bis 2014 war allerdings nur eine Auschüttung pro Jahr drin, die 2014 mit 0,25 Euro ihren Tiefpunkt erreichte. Seitdem wird wie schon zuvor mindestens zweimal im Jahr eine Dividende ausgekehrt, einmal im Frühjahr und einmal im Herbst, je nach Ergebnis ergänzt um eine Sonderdividende.
Wie meist zu beobachten ist auch hier der Kursverlauf der Aktie deutlich schwankungsintensiver als der der Dividende. Vor Ausbruch der Griechenlandkrise notierte OPAP bei über 30 Euro um bis September 2012 kontinuierlich auf den bisherigen Tiefststand von unter vier Euro zu fallen. Danach erholte sich der Kurs zwar, konnte aber im Gegensatz zu den Dividenden bei weitem nicht mehr an alte Zeiten anknüpfen und schwankt seither um die 10-Euro-Marke. Dies hat dazu geführt, dass die Dividendenrendite zuletzt zweistellige Prozentwerte erreichte.
Ergänzend sollte angemerkt werden, dass 2017 die Ausschüttungen höher waren als der ausgewiesene Gewinn der Gesellschaft. Wurde die Dividende demnach aus der Substanz entnommen? Nicht ganz. Der Hauptvermögenswert von OPAP sind die zuletzt mit knapp 1,2 Milliarden Euro taxierten Konzessionen, also eine rein immaterielle Größe. Auch die wird nun über die Zeit regelmäßig abgeschrieben. Diese Abschreibungen reduzieren zwar den Gewinn, nicht jedoch die Liquidität des Unternehmens. Dennoch ist seit Übernahme durch die Emma Delta zu beobachten, wie die Finanzierungsstruktur nach und nach verschoben und Eigen- durch Fremdkapital ersetzt beziehungsweise ergänzt wurde – letzteres auch zur Finanzierung von Erweiterungsinvestitionen. Auch das muss nicht zwingend schlecht sein, zumal gerade der Hauptinvestor kein gesteigertes Interesse daran haben dürfte, eine ertragreiche Milchkuh verhungern zu lassen.
Ein Hinweis noch zur steuerlichen Behandlung der Erträge. In Deutschland fiskalisch veranlagte Investoren zahlen gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Griechenland und Deutschland die fast schon einem internationalen Standard entsprechenden 15 Prozent Quellensteuern auf Dividenden. Die können wie gewohnt in voller Höhe auf die zu zahlende Abgeltungssteuer angerechnet werden.
Chancen und Risiken
OPAP betreibt ohne Frage ein lukratives und ertragreiches Geschäft, der Spieltrieb scheint genetisch wie kulturell fest im Menschen verankert zu sein. Zudem ist die Jahrzehnte währende Monopolstellung ohne Zweifel ein fester Burggraben – solange diese nicht fällt. Dies wird jedoch der Fall sein, denn die entsprechenden Termin stehen jetzt schon fest. Das Pferdewettenmonopl wird 2036 fallen, das Lotteriemonopol 2030, das für Rubbellose 2026 und das für Sportwetten 2020.
Bis dahin ist das Geschäft einschließlich der Margen allerdings gut kalkulierbar, der schrittweise Verlust der Monopolstellung dürfte in dieser Form verkraftbar sein. Zudem hat OPAP ausreichend Zeit, seine Stellung für die Zeit danach zu festigen. Erfahrungsgemäß wird es für Wettbewerber schwer, ein jahrzehntelang aufgebautes Netzwerk zu unterminieren. Das ist hierzulande beispielsweise an der Deutschen Post zu sehen, weiterhin Logistik-Platzhirsch und ein prosperierendes Unternehmen. Positiv hervorzuheben ist die breite angelegte Produktpalette des Unternehmens, die Vertretung in der Offline- wie Onlinewelt sowie der Verbreitung im griechischen Alltag – OPAP ist quasi omnipräsent.
Nicht zu unterschätzen ist hingegen das politische Risiko. Und damit meine ich nicht die keinesfalls gelöste Griechenlandkrise. Glücksspiel ist nun mal ebenso wie Waffen, Tabak, Alkohol und Erotik eine „Sündenbranche”, über der permanent das Damoklesschwert vorgeblich wohlwollender Regulierer schwebt. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf meinen Blogbeitrag zu ethischen Geldanlagen; obgleich aktuell nicht vertreten, dürfte sich OPAP vortrefflich in das Portfolio des dort erwähnten Sündenfonds fügen. Wie schnell politische Einflussnahme zu Einschränkungen der Optionen mündiger Bürger führen kann, dafür ist MiFID II der lebende Beweis. Im speziellen Fall von OPAP kommt dann noch die griechische Staatsschuldenkrise in Kombination mit den fundamentalen Problemen des Eurosystems hinzu. Die Umsatz- und Ertragslage des Unternehmens hängt fast ausschließlich am Privatkonsum der griechischen Haushalte in Form von Wettausgaben. Die erste schwere Krise des Landes konnte OPAP erstaunlich gut absorbieren, vermutlich auch deswegen, weil der sprichwörtiche Traum vom großen Los gerade auch in Krisenphasen nicht an Attraktivität verliert. Ob das beim nächsten Mal auch der Fall sein wird, ist fraglich. Ebenso dürfte es in Euro gerechnet zu deutlichen Verlusten kommen, sollte Griechenland zur Drachme zurückkehren.
Sofern letzterer Fall nicht eintreten sollte besteht im Gegensatz zu allen anderen bisher hier vorgestellten Hochdividendenwerten für heimische Anleger dafür kein Fremdwährungsrisiko. OPAP ist bisher ausschließlich in Griechenland beziehungsweise der Eurozone aktiv, Umsätze, Kosten, Gewinne wie etwaige Verluste sowie Ausschüttungen erfolgen in der Einheitswährung. Das kann je nach Szenario durchaus auch von Nachteil sein und das Währungsrisiko durch Klumpenbildung erhöhen, wenn Arbeitseinkommen, Immobilieneigentum und sonstige Vermögenswerte ebenfalls allein in Euro erzielt respektive bewertet werden.
Zusammenfassung und Stammdaten
OPAP besitzt fast alle Merkmale eines klassischen Hochdividendenwerts. Erstens handelt sich um ein börsennotiertes Wertpapier. Zweitens verfügt die Gesellschaft über zahlreiche Privilegien, auch wenn diese sukzessive auslaufen. Drittens ist die Dividendenrendite überdurchschnittlich hoch, die Ausschüttungsfrequenz viertens unterjährig. Schließlich existiert fünftens andeutungsweise so etwas wie eine „Managed Distribution Policy”. Damit wird im angelsächsischen Wirtschaftsraum die Selbstverpflichtung des Managments auf möglichst regelmäßige und konstante Ausschüttungen bezeichnet.
Als tendenziell positiv ist zudem der starke Ankeraktionär zu werten. Weniger erfreulich finde ich die in den letzten Jahren umgesetzte Änderung in der Finanzierungsstruktur. Für risikofreudige Anleger taugt OPAP als Beimischung in einem breit gestreuten Depot allemal. Handelbar ist die Aktie an der Athener HELEX unter dem Symbol OPAP (beziehungsweise OPAr.AT). An den deutschen Börsen kann der Titel über die Wertpapierkennummer (WKN) 765974 erworben werden, die internationale Wertpapiernummer (ISIN) lautet GRS419003009. An der NASDAQ ist OPAP unter dem Kürzel GRKZF gelistet.
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Hallo Luis,
kleines Update an dieser Stelle, weil ich gerade die Dividende von meiner Bank erhalten habe: Die Quellensteuer für Griechenland beträgt 2019 nur noch 10 statt 15% – faktsch ändert sich dadurch natürlich nicht so viel, v.a. wenn man den Wert in einem inländischen Depot hat.
LG Trollpferd
Hallo Trollpferd,
danke für den Hinweis! Ich werde übrigens diesen Sommer einige Zeit in Griechenland verbringen. Ein Besuch in einer OPAP-Niederlassung ist fest eingeplant.
Beste Grüße
Luis
…oha, 😉 viel Spaß! LG Trollpferd
Hallo Luis, wie schätzt du denn aktuell OPAP ein? Bin gerade über diese Meldung gestolpert: https://investors.opap.gr/en/results-and-news/news/regulatory-announcements/2020/08012020b
1 EUR Dividende klingt ja üppig. Wirst du dir das auszahlen lassen oder an dem DRIP teilnehmen? Bin mir nicht sicher, ob ich die Meldung zu 100% verstehe, weißt du, warum da von (nur) 5% statt 10% Quellensteuer die Rede ist, und ob man irgend etwas tun muss, wenn man nur die Dividende erhalten will? Habe den Wert derzeit bei DEGIRO liegen. Vor kurzem gab es ja auch ein (allerdings nicht allzu attraktives) Übernahmeangebot … LG vom Trollpferd