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Von Volker Seitz, 288 Seiten, 12,90 Euro, dtv Verlagsgesellschaft 2018
Wenngleich sich die Herzen der Einkommensinvestoren an den etablierten Börsen der angelsächsisch geprägten Welt erwärmen, war an dieser Stelle auch punktuell die Rede von Afrika. So beispielsweise in Rahmen meines Geldgesprächs mit Michael Vaupel, wobei hier ganz klar das persönliche wie unternehmerische Engagement im Vordergrund stand. Explizit auf einen afrikanischen Kapitalmarkt, konkret den Nigerias, bin ich in der letzten Folge des Einkommensinvestoren-Podcasts eingegangen.
Hongkong versus Nigeria
Doch obgleich sich das Land am Golf von Guinea seit Jahren mit Südafrika ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Status der größten Volkswirtschaft des Kontinents liefert, belief sich die Marktkapitalisierung der Nigerian Stock Exchange Stand Juli 2018 gerade einmal auf gute 36 Milliarden US-Dollar und damit deutlich weniger als ein Hundertstel des Pendants in Hongkong. Doch warum entwickelte sich Hongkong von einem kargen Felsen zu einer der weltweit fortschrittlichsten Volkswirtschaften, während Nigeria kaum von der Stelle kommt – von anderen afrikanischen Ländern ganz zu schweigen?
Trotz reichhaltiger Bodenschätze, fruchtbarer Böden, einer jungen Bevölkerung und exorbitanten Zuwendungen der westlichen Welt verharrt der schwarze Kontinent überwiegend in wirtschaftlicher Agonie. Ist letztere in faustscher Umkehrung eventuell ein Teil jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft? Das zumindest ist die These von Volker Seitz, die er in seinem 2009 erstmal veröffentlichtem und 2018 neu aufgelegtem Buch über knapp 300 Seiten begründet.
Sechs verpuffte Marshallpläne
UNDP, UNICEF, UNHCR, WHO, UNCTAD, UNIDO, UNIDI, UNEP, UNOPS, UNESCO, UNIFEM, ILO, FAO, WFP – was wie die Strophe eines bekannten Sprechgesangs der Fantastischen Vier anmutet, das sind lediglich 14 UN-Sektionen von insgesamt circa 40.000 Hilfsorganisationen, welche sich meist die Lage auf dem schwarzen Kontinent zu verschlimmbessern bemühen. „Längst ist die UNO Teil des Entwicklungsproblems“ lautet daher das Fazit des Afrika-Kenners nach 43 Jahren im Dienst für das Auswärtige Amt. Seitz Urteil über die letzten 50 Jahre Entwicklungshilfepolitik fällt dementsprechend vernichtend aus.
Die gigantische Summe von sechs Marshallplänen, mittlerweile über 2,5 Billionen US-Dollar, floss in diesem Zeitraum als Transferleistungen nach Afrika; Jahr für Jahr sind es weitere 130 Milliarden. Allein diese gigantischen Zahlungen ermöglichten eine lupenreine Rent-Seeking-Ökonomie – partiell auch in den Geberländern –, die eine habsüchtige Funktionärsklasse von „Fat Cats“ ohne jedes Unrechtsbewusstsein saturierte und die breite Masse, inklusive Infrastruktur, ruinierte. Die Exportschlager Afrikas sind folglich neben dem Humankapital der Leistungseliten das Geldkapital der Politeliten, konservativ geschätzte 13 Milliarden US-Dollar pro Jahr, seit 1960 insgesamt über 400 Milliarden US-Dollar.
Lösung oder Problem?
Und während sich die afrikanische Bürokratie überbordend, die Korruption endemisch und das Fiskalsystem behindernd gebiert, treiben professionelle „Fundraiser“ wie wohlmeinende Kulturschaffende publikumswirksam die Aufstockung der Mittel in der westlichen Welt voran, was 70 Prozent ihrer Bewohner sogar gutheißen. Erfolg wird in der Entwicklungspolitik in monetären Quantitäten der Geber gemessen. Darauf ist das gesamte System, das allein in Deutschland 100.000 Vollzeitstellen alimentiert, konsequent ausgerichtet.
Provisionshungrige Consultants bereisen Business Class eine dankbare Klientel, die sie mit detaillierten Hilfsofferten geradezu überschütten können, gegebenenfalls mit Nachdruck via Economic Hit Men (*). Das schließt sogar Staaten ein, die pro Kopf mehr an Rohstofferlösen erzielen als Katar. Seitz detaillierter Erfahrungsbericht stellt selbst schlimmste Befürchtungen in den Schatten, sein fatalistisches Resümee mündet in der bitteren Erkenntnis: „Entwicklungshilfe ist in vielen Ländern nicht die Lösung, sondern das Problem.“
Die Macht der Institutionen
Die wenig erbauliche Lektüre steht in auffälligem Kontrast zur seit Jahrzehnten gepflegten Aufbruchsstimmung, wie sie beispielsweise Vijay Mahajan in seinem Buch „Afrika kommt – Der Schwarze Kontinent: Jahrhundertchance für Investoren und Unternehmer“ (*) propagiert, welches übrigens zeitgleich mit dem vorliegenden Titel erschien. Zusammen mit Hernando de Sotos „Freiheit für das Kapital!“ (*) sowie Gunnar Heinsohns „Söhne und Weltmacht“ (*) bildet Seitz Publikation ein literarisches Triumvirat zum Verständnis der afrikanischen Malaise.
Sie bestätigen unisono ein Bonmot, welches zum Gemeinplatz der Ökonomie zählt und durch den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton eine gewisse Popularität erfahren durfte: It’s the Institutions, Stupid! Es ist die Tragik nicht nur des schwarzen Kontinents, dass es bereits institutionell Millionen von Menschen verwehrt bleibt, über die wichtigsten Parameter ihrer Lebensgestaltung selbst entscheiden und bescheidenen Wohlstand verteidigen zu können.
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Dass in Afrika etwas schief läuft, kann jeder sehen. Die Milliarden die dort reingepumpt werden, scheinen nicht viel zu bewirken. Besonders die Bevölkerung scheint von diesen Finanzmittel nichts abzubekommen. Merkels „weiter so“ scheint jedoch ein Exportschlager zu sein 🙂 Für mich waren die die politischen Schlussfolgerungen des Autors sehr gut begründet und dadurch nachvollziehbar.