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Von The Motley Fool, 160 Seiten, 14,99 Euro, FinanzBuch Verlag 2018
Als „Tenbagger“, also Kursverzehnfacher, bezeichnete Peter Lynch dereinst jene Renditetreiber, die 13 Jahre lang das pulsierende Herzstück seiner Anlagestrategie ausmachten. Zwischen 1977 und 1990 steigerte der legendäre Fondsmanager so das verwaltete Vermögen des von ihm betreuten Magellan Funds von knapp 20 Millionen auf über 14 Milliarden US-Dollar, bevor er sich im zarten Alter von 44 Jahren in den Ruhestand verabschiedete. Über 100 Tenbagger katapultierten die Rendite auf beeindruckende 29,2 Prozent – pro Jahr. Seinen Ansatz haben jüngst die Jungs und Mädels von The Motely Fool in ein zeitgenössisches Gewand gekleidet.
Wer sind die Autoren?
Treibende Kraft hinter The Motely Fool sind die Brüder David und Tom Gardner, die das „internationale Multimedia-Unternehmen für Finanzdienstleistungen” im Jahr 1993 gründeten. Ihr unbescheidenes Credo: Der ganzen Welt zu helfen, besser zu investieren. Ihr literarisches Vorbild: Der gescheckte Narr aus William Shakespears „Wie es Euch gefällt” (*) – ein mit lehrreichem Humor gesegneter Querdenker. 300 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, im Vorstand befinden sich gar einige Hochkaräter aus der Teppichetage von Amazon, Alphabet respektive Google und Microsoft beziehungsweise deren Tochtergesellschaften.
Wie lautet die Hauptthese der Autoren?
Berühmt geworden ist The Motely Fool tatsächlich durch eine ganze Serie von Aktienempfehlungen, die sich seither als Tenbagger entpuppt haben. Neben der Hälfte der heutigen FANG-Titel, nämlich Amazon und Netflix, finden sich hierunter auch eher unbekanntere Werte wie Baidu, Intuitive Surgical und Mercado Libre. Diese und weitere Unternehmen weisen nach Meinung von David Gardner eine Gemeinsamkeit auf: Sie haben allesamt auf ihrem Gebiet bestehende Regeln gebrochen und dafür ihren Pionierlohn eingefahren. Der von The Motely Fool entwickelte und seit 2004 praktizierte Rule Breakers Investmentansatz soll auch den gemeinen Anleger lehren, genau solche im Rohzustand befindliche Diamanten systematisch zu identifizieren.
Wie wird diese These begründet?
Tatsächlich gehen The Motely Fool davon aus, dass zumindest bestimmte Wertpapiersegmente nicht markteffizient bepreist werden. So würde vor allem das disruptive Potenzial der Rule Breakers immer wieder unterschätzt – vor allem aufgrund der mangelnden Fähigkeit des Menschen, exponentielle Entwicklungen in die Zukunft zu projizieren. Dieser Denkblockade soll ein Sechs-Kriterien-Filter entgegenwirken. Was also macht so einen Regelbrecher aus?
Erstens muss es das entsprechende Unternehmen in einer wichtigen und wachsenden Industrie tätig sein. Zweitens muss es sich um Platzhirsche beziehungsweise Pioniere mit dem gewissen Etwas handeln. Drittens muss das Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil (Burggraben) aufweisen. Ferner viertens über ein cleveres Management und smarte Unterstützung verfügen. Fünftens müssen die Produkte oder Dienstleistungen eine hohe Attraktivität für die Kunden aufweisen. Sechstens schließlich muss es sich um ein angeblich überbewertetes Unternehmen handeln.
Die Punkte eins bis fünf entsprechen im Wesentlichen dem konventionellen „Value Investing“, lediglich der sechste Punkt sticht in der Auflistung deutlich hervor. Überbewertete Unternehmen kaufen? Ja, denn statistisch betrachten seien die Kursvervielfacher fast immer überbewertet. Denn das „Gute an den pessimistischen Berichten über Überbewertungen ist nämlich, dass sie genügend Leute von den Aktien des Unternehmens fernhalten.“ Und genau diese Skeptiker sind es, die später im Idealfall die Kurse treiben werden.
Im letzten Teil des Buches gehen die Autoren schließlich noch der Frage nach, wie sich wesentliche Finanzkennzahlen bei unterschiedlichen Szenarien mittelfristig abschätzen lassen und – auch dieser wichtige Punkt wurde nicht unterschlagen – wann es denn Zeit wird zu verkaufen. Neun „foolishe“ Weisheiten aus der Feder David Gardners runden den Titel ab.
Wie ist das Buch geschrieben?
Wie nicht anders zu erwarten, bleiben The Motley Fool ihrem aus zahlreichen Publikationen bekannten Stil treu. Der Text ist locker-leicht geschrieben, die Ansprache sehr direkt, die gut 150 Textseiten zügig durchgelesen. Jedes der sechs Filterkriterien stützt sich sowohl auf harte als auch weiche Faktoren, was die Analyse zu „einer gewissen Form von Kunst“ erhebt, wofür neben handwerklichen Fähigkeiten auch ein „unheimliches Gespür für Trends“ sicherlich von Nutzen ist.
Der besondere Clou sind sicherlich die „Hausaufgaben” am Ende einer jeden der sechs Lektionen. Wer diese im Zuge der Lektüre sukzessive und ernsthaft durchführt erarbeitet sich zweifelsohne eine solide Wissens- und Wertpapierbasis. Eine Warnung vorab: Dieses Vorgehen dürfte den Zeitansatz zur Bewältigung des Lesestoffs enorm in die Länge ziehen. Denn eines sollte auch klar sein, der Rule Breakers Investmentansatz kostet Zeit, viel Zeit.
Wer sollte das Buch lesen?
Dementsprechend richtet sich das Buch vor allem an überzeugte „Stock-Picker“, die mit wertorientiertem Anlegen beziehungsweise „Value Investing“ für Wachstumswerte den Markt deutlich zu schlagen trachten. Dies erfordert allemal eine stabile Anlegerpsyche. Es stimmt zwar, „Du kannst maximal 100% verlieren, aber unbegrenzte Gewinne erzielen.“ Ersteres bleibt bei der Suche nach Regelbrechern allerdings kaum aus, selbst bei den mutmaßlich mit Insiderwissen gesegneten gescheckten Narren nicht.
Die Performance des Rule Breakers Investmentansatzes liegt nach eigenen Angaben zwischen 2004 und 2017 in etwa doppelt so hoch wie die des Aktienindexes S&P 500, der die 500 größten, börsennotierten Unternehmen der USA beheimatet. Angesichts zahlreicher Tenbagger lässt das umgekehrt natürlich nur den Schluss zu, dass diese Rendite mit einem Vielfachen an Depotleichen erkauft wurde – nichts für schwache Gemüter.
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PS: Seit Anfang dieses Jahres gibt es sogar einen bördengehandelten Exchange Traded Fund (ETF), der in die nach Marktkapitalisierung 100 größten Aktien unter den Anlageempfehlungen von The Motley Fool investiert. Der The Motley Fool 100 ETF kann über das Kürzel TMFC an der Chicago Board Options Exchange (CBOE) gehandelt werden. Danke an Leser Christian K. für den Hinweis!
PPS: Gibt es noch weitere Bücher zum Thema, die sich für die Leser des Blogs zu rezensieren lohnt? Schreiben Sie mir Ihre Vorschläge – mit oder ohne E-Mail-Kontakt!