Spareinlagen – Nur Bares ist Wahres!

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Ein Rückblick zum 10. Jahrestag der Staatsgarantie auf Bankeinlagen

„Die Bundesregierung sagt am heutigen Tag, dass wir nicht zulassen werden, dass die Schieflage eines Finanzinstituts zu einer Schieflage des gesamten Systems wird. […] Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ Vor fast genau zehn Jahren, am Sonntag, den 5. Oktober 2008, sprach erstmals in der Geschichte eine Regierung der Bundesrepublik Deutschland eine staatliche Garantie für private Spareinlagen aus, beleumundet durch das Wort der Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Northern Rock und Hypo Real Estate

Damals, knapp drei Wochen nach der Pleite der mittlerweile legendären Investmentbank Lehman Brothers und inmitten der durch eine jahrzehntelang verfehlte US-Wohnungspolitik ausgelösten Weltfinanzkrise stand es auch hierzulande Spitz auf Knopf. Wir erinnern uns: Neben zahlreichen Landesbanken war die ebenfalls legendäre Hypo Real Estate (HRE), ein auf Immobilien- und Staatsfinanzierungen spezialisiertes Großinstitut, in Schieflage geraten. Wenige Tage nach der Lehman-Pleite war der Untergang der HRE kaufmännisch besiegelt, die bundesdeutsche Bankenlandschaft musste mit Direkthilfen in zweistelliger und Staatsbürgschaften in dreistelliger Milliardenhöhe über Wasser gehalten werden.

Angesichts dieser Dynamik wurde selbst dem zur Lethargie neigenden Michel etwas mulmig zumute. War da nicht was in England? Richtig, das britische Pendant zur HRE hieß Northern Rock und wurde ziemlich genau ein Jahr zuvor von verängstigten Kunden gestürmt. An den Schaltern bildeten sich riesige Schlangen, die Öffnungszeiten der Bank mussten verlängert werden, um dem Wunsch nach Bargeld Herr zu werden. Nach Abfluss mehrerer Milliarden Pfund stand Northern Rock am Rande der Insolvenz, so dass sich der britische Finanzminister Alistair Darling genötigt sah, von Seiten der Regierung eine Garantieerklärung für sämtliche Einlagen abzugeben, um Ansteckungseffekte zu verhindern.

Dieses Vorgehen muss bei der faktisch identischen Erklärung der deutschen Regierung ein Jahr später Pate gestanden haben. So ergänzte der damalige Finanzminister Peer Steinbrück die Worte der Kanzlerin um folgende Sätze: „Ich möchte gerne unterstreichen, dass wir in der Tat in der gemeinsamen Verantwortung, die wir in der Bundesregierung fühlen, dafür Sorge tragen wollen, dass die Sparerinnen und Sparer in Deutschland nicht befürchten müssen, einen Euro ihrer Einlagen zu verlieren. Dies ist ein wichtiges Signal, damit es zu einer Beruhigung kommt und nicht zu Reaktionen, die unverhältnismäßig wären und die uns die derzeitige Krisenbewältigung beziehungsweise Krisenprävention noch schwieriger machen würden.“

Das Gespenst des Totalverlustes

Nun sollte sich die innere Unruhe des deutschen Sparers bezüglich seiner Bankguthaben allein schon aus der Erkenntnis speisen, dass sowohl die letzte als auch die vorletzte Generation einen faktischen Totalverlust derselben hinnehmen musste (1923 beziehungsweise 1948). Im Jahr 2008 hat die Erklärung ihre Wirkung jedoch nicht verfehlt. Doch was, wenn der Garantiefall eingetreten wäre beziehungsweise eintreten sollte? Schließlich ist die Garantiegeberin noch im Amt und versprochen ist versprochen, oder?

Klären wir also zunächst einmal, über was für einen Betrag wir überhaupt sprechen. Das Bundesfinanzministerium schätzte seinerzeit die maximale Garantieleistung auf knappe 600 Milliarden Euro. Die Redaktion der Wirtschaftswoche taxierte die im Extremfall aufzubringende Summe der Privateinlagen im deutschen Bankensystem auf 1.628 Milliarden Euro. Auch wenn wir uns mittlerweile an große Zahlen gewöhnt haben: Angesichts der nicht ganz unerheblichen Differenz von über einer Billionen Euro stellt sich schon die Frage, wer hier näher an der Wahrheit lag beziehungsweise wo diese heute liegt.

Da die Regierung nun einmal ALLE Einlagen zu sichern versprochen hat, sind diese nach den Regeln kaufmännischer Vorsicht auch vollumfänglich anzusetzen. Schließlich sollen die Anleger ja nicht „einen Euro ihrer Einlagen […] verlieren“. Folgen wir der Definition der Deutschen Bundesbank, wird als Einlage „ein Guthaben bezeichnet, das ein Kunde auf dem Konto bei seiner Bank unterhält.“ Juristisch betrachtet handelt es sich hierbei um ein Darlehen des Kunden an die Bank. Je nach Art und Fälligkeit werden diese nach täglich fälligen Sichteinlagen, befristeten Einlagen (Termineinlagen) und Spareinlagen unterschieden.

Ganz M3 soll es sein

Um für diesen Betrag einen Näherungswert zu erhalten, bietet sich der Rückgriff auf die von der Europäischen Zentralbank (EZB) definierte Geldmenge M3 an. Diese umfasst alle Bankschuldverschreibungen und Einlagen mit einer vereinbarten Laufzeit von bis zu zwei Jahren (Termineinlagen) sowie Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten (Spareinlagen). Daneben enthält dieses Geldmengenaggregat auch den Bargeldumlauf, Sichtguthaben und Geldmarktpapiere beziehungsweise Geldmarktfonds, welche zum Teil nur innerhalb des Bankensektors zirkulieren, sowie so genannte Repoverbindlichkeiten, also Titel, die zwischen der Bundesbank und den Geschäftsbanken gehandelt werden und nicht zu den Einlagen zu zählen sind. Andererseits sind längerfristige Spareinlagen nicht Bestandteil der Definition, obwohl gerade Altersvorsorgevermögen in nicht unerheblichem Maße zu besagten Spareinlagen beitragen dürften.

Aufgrund dieser sich ausgleichenden Elemente sowie aus Gründen der Vereinfachung und Nachprüfbarkeit stellt das Aggregat M3 einen zweckmäßigen Schätzwert für hiesige Zwecke dar. Gemäß der monatlichen Statistik der Deutschen Bundesbank betrug der deutsche Anteil an M3 im August 2008 knapp zwei Billionen Euro. Zehn Jahre später ist der Betrag auf gut drei Billionen Euro angestiegen. Das sind aktuell etwa 50 Prozent mehr als die Gesamtverschuldung der Bundesrepublik Deutschland und knapp das Neunfache der für 2018 geplanten Gesamtausgaben des Bundes.

Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Somit stellen sich für den Fall der Fälle zwei Fragen: Erstens, woher die Mittel für die Sicherung der Einlagen nehmen und zweitens, wie lassen sich diese Mittel verteilen?

Tatsächlich ist die Antwort auf die erste Frage die einfachere von beiden. Schließlich haben sie unzählige Regierungen zuvor und weltweit durchexerziert. Einzige Voraussetzung wäre die Verabschiedung eines Notstandsgesetzes, welches einen Annahmezwang staatlicher Schuldtitel seitens der Bundesbank vorschreibt, was aktuell auf direktem Weg nicht zulässig ist. Unmittelbar nach Inkrafttreten könnte die Bundesbank den erforderlichen Betrag in Sekundenschnelle auf dem Bundesbankkonto des Finanzministeriums gutschreiben. Im Gegenzug würde sie frische Schuldverschreibungen des Bundes in entsprechender Höhe erhalten. So war es übrigens auch vor 1923 und 1948, weshalb das Bundesbankgesetz auch seit jeher die Unabhängigkeit der Zentralbank vorschreibt.

Die Umsetzung der zweiten Herausforderung gestaltet sich jedoch ungleich schwieriger. Denn eine Bankeinlage stellt per Definition eine Forderung dar. Genauer gesagt eine Forderung auf Bargeld. Nur durch Bargeld lassen sich die Verbindlichkeiten der Bank respektive die Ansprüche der Sparer befriedigen. Der Zweifel an exakt dieser Fähigkeit ist es ja, der in der Krise zum Phänomen des „Bank Run“ führt (siehe Northern Rock). In einer Bankenkrise ist Bargeld ja gerade deswegen Trumpf, da alle Forderungen hierauf immer schwieriger zu bedienen sind beziehungsweise mit dem Institut unterzugehen drohen.

Letztlich sind es genau diese Forderungen, die die Regierung nun an Bankes statt erfüllen muss. Sie muss also notfalls die drei Billionen Euro Guthaben auf dem Bundesbankkonto in Bargeld umwandeln, um die Verbindlichkeiten der Geschäftsbanken begleichen zu können. Auch hierzu kann sie auf die Zentralbank als Bargelddienstleister zurückgreifen, denn „[d]ie Deutsche Bundesbank hat im Bargeldbereich öffentliche Aufgaben zu erfüllen, insbesondere die reibungslose Bargeldversorgung einschließlich Notfall- und Krisenvorsorge, die Erhaltung eines guten Gebrauchszustandes umlaufender Banknoten […], die Verringerung des Falschgeldrisikos sowie die zeitnahe Erkennung und Aussonderung von Falschgeld […].“

Eckdaten zur Geldproduktion

Von den fast 17 Milliarden umlaufenden Euro-Banknoten (Stand November 2014) dürften etwa 3,4 Milliarden auf die Bundesbank entfallen. Dies entspricht dem Anteil der Bundesbank am Kapital der EZB von knapp 18 Prozent, der hier zwecks Schätzung angesetzt wurde. So eine Banknote hat eine durchschnittliche Haltbarkeitszeit von sechs Monaten bis fünf Jahre. Im Schnitt dürften zwei Jahre realistisch sein, da gerade die zahlenmäßig dominierenden kleinen Stückelungen kürzere Umlaufdauern haben.

Aktuell stehen für den sensiblen Bereich der Banknotenproduktion in Deutschland nur zwei Hersteller zur Verfügung. Die Bundesdruckerei in Berlin sowie die Niederlassung des Technologiekonzerns Giesecke & Devrient in Leipzig. Aktuell sind beide mit der Zusatz- sowie Ersatzproduktion der geschätzten 1,7 Milliarden Banknoten pro Jahr ausgelastet. Insbesondere der zur Fälschungssicherheit beitragende Teil des Herstellungsprozesses einschließlich der Qualitätskontrolle erweist sich dabei als besonders aufwendig. Allerdings werden auch Druckaufträge ans Ausland vergeben. Zudem wird an der Haltbarkeit der Euronoten gearbeitet.

500-Euro-Schein
Hier alternativlos – der 500-Euro-Schein, Bildquelle: Robert Kalina via Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Um möglichst schnell und zusätzlich zur laufenden Ersatzproduktion drei Billionen Euro drucken zu können ist der 500-Euro-Schein als nominal höchstwertige Note alternativlos. Zumindest bis Ende 2018. Dann soll seine Produktion eingestellt werden, um Terrorfinanzierung, Geldwäsche und Schwarzarbeit einzudämmen. Der Schein misst 160 mal 82 Millimeter, ist 0,105 Millimeter dick und 1,12 Gramm schwer. Der Gegenwert von drei Billionen Euro entspricht sechs Milliarden 500-Euro-Scheinen. Gebunden wiegt dieses Paket 6.720 Tonnen, gestapelt erreichen die Scheine eine Höhe von 630 Kilometern. Das entscheidende ist allerdings, dass die Produktion der sechs Milliarden Scheine gute dreieinhalb Jahre beanspruchen würde. Vorausgesetzt, die Ressourcen beider Druckereien einschließlich Subunternehmen könnten schlagartig verdoppelt werden.

Eine Ausweitung der Produktion, auch auf andere Druckereien, wäre natürlich denkbar, allerdings dürfte die Herstellung, Montage und Inbetriebnahme der Spezialdruckmaschinen, die Ausbildung und Überprüfung des Fachpersonals sowie die Herstellung der entsprechenden Sicherheitsbedingungen Wochen bis Monate in Anspruch nehmen. Bliebe noch die Alternative, neue Scheine mit höheren Nominalwerten zu kreieren und aufzulegen. Motive, eventuell sogar die Druckplatten selbst, könnten aus dem Fundus des Geldmuseums der Deutschen Bundesbank entnommen werden. Sie stammen aus den frühen zwanziger Jahren, als 30 Papierfabriken rund um die Uhr mit 30.000 Arbeitern und Abertrillionen an Reichsmark die Hyperinflation am Laufen hielten.

Die normative Kraft des Faktischen

Gegen die Berechnung könnte prinzipiell eingewendet werden, dass eine solch enorme Summe tatsächlich gar nicht fällig werden würde. Dies mag durchaus so sein. Allerdings sollten sich Anleger vor Augen halten, dass zum einen jede einzelne deutsche Großbank für mehrere hundert Milliarden Euro Kundeneinlagen gerade stehen muss. Selbst bei Ausfall eines einzigen Instituts stellt sich angesichts obiger Musterrechnung die Frage, wie und vor allem wann alle „Sparer“ voll entschädigt werden sollen? Zum anderen wurde seinerzeit ein politisches Versprechen abgegeben, dem in dieser Form schlichtweg die normative Kraft des Faktischen entgegenstand und welches nach wie vor so nicht erfüllt werden kann.

Im Oktober 2008 zeigte sich zudem auch, dass eben nicht die Notenbanken die ihr lehrbuchmäßig zufallende Rolle des „Geldgebers der letzten Zuflucht“ („Lender of Last Resort“), ausfüllen können, sondern einzig und allein ihre regierenden Dienstherren. Und deren Beruhigungspillen erwiesen sich als Placebo – die Symptome sollte allein der Glaube kurieren. So kommentierte denn auch das Bundesfinanzministerium das Versprechens der Kanzlerin im Nachgang wie folgt: „Es ist im Grunde genommen ein politisches Signal an die Bürger, das Vertrauen nicht zu verlieren.“ Genau, denn schon der Kredit leitet sich aus dem lateinischen Wort „credere“ für Glauben ab. Und wer glaubt, wird selig. Großes Politiker-Ehrenwort!

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