Geldgeschichte(n): Freibeuter-Sozialkasse & Das Wunder von Wörgl – Folge 14

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Im Rahmen unseres deutsch-österreichischen Verständigungsprojekts vereinen mein Bloggerkollege Clemens Faustenhammer und ich die zwei schönsten Nebensachen der Welt, nämlich Geld und Geschichte, miteinander und reisen dafür einmal monatlich zurück in unsere Finanz-Zukunft. In der 14. Folge der Geldgeschichten schauen wir uns die soziale Absicherung von Käptn Jack Sparrow und seinen Spießgesellen an, danach beleuchten wir Mythos und Wirklichkeit eines österreichischen Geldexperiments.

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Es ist schon bemerkenswert, inwieweit die Diskrepanz bei der Charakterisierung des Piratenbildes zwischen öffentlicher Wahrnehmung eines tradierten Ideals und der sich auf historische Quellen stützenden Darstellung auseinanderklafft. Von Freiheit, Solidarität oder gar einer gelebten demokratischen Struktur innerhalb der zwielichtigen Gemeinschaft rauer Zeitgenossen wird in Hollywood-Filmen und in der Populärliteratur schwadroniert. Das markante Gegenteil war in der Realität der Fall: von Habgier getriebene und von Trunksucht geprägte Plünderungskampagnen, die entweder mit dem eigenen Tod oder dem entsetzlichen Morden und Vergewaltigen der Opfer endeten, sind die Wahrheit.

Apropos Realitätsnähe: wie verhielt es sich tatsächlich mit der vermeintlichen Sozialversicherung, die sich die Brüder der Küste in einem selbsterdachten Regelwerk untereinander ausschnapsten? Bot sie tatsächlich eine gewisse Kompensation für die erlittenen Verletzungen, die die Piraten aus dem waghalsigen Manöver davontrugen, während ihrer Jagd auf eine aussichtsreiche Beute? Von einem System staatlich eng geregelter Fürsorge für wichtige Risiken des Daseins, wie wir es kennen, kann wohl keine Rede sein. Denn ohne Beute, kein Geld! Vielmehr unterlag der vermeintliche Versicherungsschutz einer zugrundeliegenden Hoffnung – oder wäre nicht doch Spekulation die treffsichere Bezeichnung? – um ein genügendes Maß an Raubgut für die Entschädigung der Versehrten und Verwundeten zu gewährleisten.

In der zweiten Geldgeschichte beleuchten wir der Person und dem Werk Silvio Gesells sowie die bekannteste Umsetzung eines darauf gestützten Geldexperiments. Gesell war ein deutsch-argentinischer Kaufmann und Geldtheoretiker, der durch seine unorthodoxen Ideen eine gewisse Bekanntheit erlangte. Geboren wurde er am 17. März 1862 im belgischen St. Vith, wo er auch in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Nach einer handwerklichen Ausbildung arbeitete Gesell zunächst in verschiedenen Berufen, bevor er sich entschloss, nach Argentinien auszuwandern, seinerzeit eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. In Buenos Aires etablierte er sich als Geschäftsmann und begann sich mit Geld- und Wirtschaftstheorie zu beschäftigen.

Während dieser Zeit entwickelte er seine Idee des Freigeldes oder Schwundgeldes, die er in seinem 1916 erschienen Hauptwerk „Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“ veröffentlichte. Gesell argumentierte, dass das traditionelle Zinssystem und die Akkumulation von Kapital dazu führen, dass Geld gehortet wird, was wiederum zu wirtschaftlicher Volatilität und Stagnation führt. Um dieses Problem zu lösen, schlug er vor, dass Geld einem periodischen Wertverlust unterworfen werden solle, um so die Umlaufgeschwindigkeit hochzuhalten. Praktisch umgesetzt wurde der Ansatz von Michael Unterguggenberger, dem Bürgermeister von Wörgl in Tirol.

Medienempfehlungen

Bei dieser Folge der Geldgeschichte haben wir uns unter anderem auf folgende Quellen gestützt, die wir zur Erweiterung beziehungsweise Vertiefung des jeweiligen Themenschwerpunkts empfehlen können:

Immer einen musikalischen Abstecher wert ist zudem die Playlist der Geldgeschichte(n) auf Spotify, welche alle Musikstücke umfasst, auf die wir bisher in unserem Format referenziert haben!

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  • 0:00:00 Begrüßung und Einleitung
  • 0:00:26 Vorstellung und Aktuelles
  • 0:07:36 Freibeuter-Sozialkasse
  • 0:40:44 Quellen, Hinweise, Diskussion
  • 0:43:32 Das Wunder von Wörgl
  • 1:21:11 Quellen, Hinweise, Diskussion
  • 1:25:28 Fazit und Verabschiedung
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    2 Antworten auf „Geldgeschichte(n): Freibeuter-Sozialkasse & Das Wunder von Wörgl – Folge 14“

    1. Zur Kritik der Freiwirtschaft nach Gesell von Rahim Taghizadegan

      Ich habe diesen „eigentümlich unfreien“ 1Bericht über die Freiwirtschaft gelesen. Ich vermute, dass Geldanleger, daraus keinen Nutzen ziehen können, es sei denn, dass sie von Gesell schon mal was gehört haben. Dann könnte ihnen Taghizadegan wegen der der Zinsnahme eine Gewissensentlastung gebracht haben. Freude der Freiwirtschaft stellt der Bericht aber nicht zu frieden, weil das, was sie befürworten, nicht erkennbar wird. Aber immerhin ist dieser Versuch der Demontage der Freiwirtschaft in freundlicher Tonlage geschrieben und nicht wie bei den „Freunden“ von der marxistischen Front.
      Der beste Satz von R.T. Lautet:
      „Allerdings ist es niemals eine gute Idee, historische Texte mit modernen Sensibilitäten zu lesen und etwa aus jeder Erwähnung des Wortes „Neger“ einen Rassisten zu konstruieren.“

      Und der dümmsten Sätze lauten:
      „Gesells Denkfehler liegt darin, den Geldbestand in umlaufendes und gehortetes Geld zu unterteilen. Dies enspricht de facto der Unterscheidung zwischen „raffendem“ und „schaffendem“

      Das Natürliche in dem Begriff „Natürliche Wirtschaftsordnung“ bezieht sich auf die Natur des Menschen und nicht auf die Ordnung, die müssen die Menschen selber finden und gestalten.

      Tristan Abromeit / 28. März 2024

      1. Hallo Tristan,
        ich habe meine Position zum Freigeld wie zu jedem anderen Geldsystem ganz klar beim abschließenden Fazit zum Ausdruck gebracht. Gerne mögen sie sich alle dem Wettbewerb stellen, egal, ob die monetäre Basis nun auf Gold, Kryptovermögenswerte, Kredit- oder Schwundgeld basiert (meinetwegen auch Kaurimuscheln, Rinder oder Tabak). Möge jede Person entsprechend der individuellen Präferenz das passende Geld nutzen, über die Zeit würden sich ausreichend Clearingstellen bilden, um Transaktionen zwischen den Geldsystemen zu gewährleisten. Das müsste doch eine Ordnung sein, die auch besagte „Freunde der Freiwirtschaft“ zufriedenstellt, oder?

        Gleichwohl hätten sie in diesem Fall einen strategischen Nachteil, denn außer „Überzeugungstätern“ würden wohl die wenigsten Wirtschaftsteilnehmer eine Schwundwährung halten, wenn nicht schwindende Alternativen verfügbar wären. Und damit sind wir bei des Pudels Kern: Würden Freigeldfreunde das akzeptieren? Oder würden sie ihr System über das politische Mittel und damit via Gewalt zu monopolisieren versuchen? Im letztgenannten Fall wäre das freilich eine Selbstdemontage, die mit einer wie auch immer gemutmaßten „Natürlichkeit“ nichts zu tun hat und die ich kategorisch ablehne.

        Viele Grüße
        Luis

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