Kurzrezension – Die Kunst, seine Schulden zu zahlen

Von Honoré de Balzac, 120 Seiten, 9,00 Euro, Insel Verlag 2004

Früher, in der Zeit des Goldstandards, waren nicht nur die Währungen, sondern auch die Buchtitel irgendwie substanzhaltiger: „Die Kunst, seine Schulden zu zahlen und seine Gläubiger zu befriedigen, ohne auch nur einen Sou selbst aus der Tasche zu nehmen. Gelehrt in zehn Lektionen oder Handbuch des Handelsrechts zum Gebrauch der ruinierten Leute, der Schuldner, der Hilfsbeamten, kurz aller jener, die Geld ausgeben, ohne es zu haben“ – so lautet der volle Titel dieses klassischen Finanzratgebers der etwas anderen Art.

Titelbild von Die Kunst seine Schulden zu zahlen

Denn auch die Ära des edelmetallunterlegten Geldes bewahrte nicht vor individuellen wie kollektiven Schuldenkrisen. Wer wüsste das nicht besser als Honoré de Balzac (1799 bis 1850), der im Zuge einer europaweiten Wirtschaftskrise 1828 selbst Konkurs anmelden musste. Trotz seiner literarischen Erfolge blieb der kaffeesüchtige Autor zeitlebens vor allem aufgrund des ausschweifenden Lebensstils ein Schuldner, unablässig auf der Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten. Wie ein roter Faden durchzieht daher das Thema Geld beziehungsweise der Mangel an selbigem das Werk des Franzosen.

Die vorliegende autobiographisch gewürzten Kombination aus Erzählung und Ratgeber beginnt der fiktive Erzähler mit der zentralen Lebenserkenntnis seines Onkels, eines exzessiven Schuldenmachers: „Ich erfasste also die grosse Bedeutung des Kredits und ich habe entdeckt, dass er sich gründet und ruht auf einer einzigen, zwar sonderbaren, aber sehr soliden Methode: dass man nämlich mit unverbrüchlicher Treue niemandem Schulden zahlen soll.“

Zehn Kapitel umfasst dann die vollständige Dokumentation jener „Methode“ aus seinem Nachlass, ein kondensiertes Pointenfeuerwerk, welches mit spitzbübischer Freude die immer spannungsgeladenen Gläubiger-Schuldner-Beziehungen im beginnenden 19. Jahrhundert aufs Korn nimmt. Von den Verführungen der damals schon glitzernden Konsumwelt über die unbeschwerte Aufschuldung bis hin zur Abwicklung der Insolvenz – seinerzeit höchstens fünf Jahren Gefängnis auf Kosten des Gläubigers (!) –, werden alle Aspekte des klassischen Verschuldungszyklus auf einzigartig augenzwinkernde Weise reflektiert. Fazit: Eine kurzweilige Abend- oder Urlaubslektüre aus der Feder eines Weltliteraten.

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